Episode 1 – Erhard Hackler, Vorstand der deutschen Seniorenliga e.V.

Hier eine etwas gekürzte Zusammenfassung unseres Gesprächs mit Erhard Hackler. Durch das Gespräch führte Christian Kläs.

„Keine Altersgruppe ist so heterogen wie die der Senioren“

Beispiele der Tätigkeitsfelder der Deutschen Seniorenliga: Familienpflegezeit und Einordung des Seniorenbegriffs

Frimeso : Die Seniorenliga verschreibt sich dem Ziel, Rahmenbedingungen mitzugestalten, die es Älteren ermöglichen, entsprechend Ihren Bedürfnissen zu leben, zu wohnen und arbeiten zu können, und auch bei Pflegebedürftigkeit umfassend versorgt zu werden. Gibt es Beispiele, wo ihr diese Kernforderung in die Tat umgesetzt habt?

Hackler:  Die deutsche Seniorenliga verfügt über eine Kernkompetenz bei Betroffenen und Politik im Bereich Pflege. Wir konnten zum Beispiel an dem gesetzgeberischen Vorhaben Familienpflegezeit mitwirken. Da sind wir schon ein bisschen stolz, dass es uns gemeinsam gelungen ist, diese zu initiieren.

Mittlerweile ist es möglich, dass man als Arbeitnehmerin oder als Arbeitnehmer, eine freie Zeit zugestanden bekommt. In dieser Zeit kann man dann die häusliche Pflege verrichten. Denn ohne dieses „familiäre Ehrenamt“ wäre dem Pflegebedarf in Deutschland, der enorm ist, überhaupt nicht nachzukommen und auch nicht zu leisten. Der Arbeitgeber gibt den Pflegenden, die diese Pflegezeit in Anspruch nehmen, auch eine Rückkehr-Garantie. Sie haben also dann nicht die Sorge, dass wenn ich pflege, verliere ich meinen Arbeitsplatz.

Zweites Beispiel:  Es ist uns in unseren Gesprächen mit der Politik und Wirtschaft gelungen, im Laufe der letzten 25 Jahre den Begriff des „Senioren“ realitätsgerechter einzuordnen und zu etablieren. Als wir mit unserer Arbeit begonnen hatten, war der Senior im Grunde genommen die ältere Dame mit Kittelschürze. Man vermutete, die Deutsche Seniorenliga, „das sind die mit der Blindenbinde und dem weißen Stock“. Um diese Menschen kümmern wir uns auch sehr gerne!
Aber sehr wohl haben wir auch den ganz modernen Senior und die modere Seniorin im Blickfeld. Gerne beantworten Ihre Anfragen, wie zum Beispiel: „Wie gestalte ich meinen Alltag? Wie erhalte ich meine Lebensqualität? Wie steigere ich sogar noch die Lebensqualität?“

Also wir haben zur Veränderung des Senioren-Begriffs und damit zur Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung der Senioren in der Gesellschaft doch einen entscheidenden Beitrag leisten können.

Man ist sowieso so alt, wie man sich fühlt: Seniorenbegriff nicht gesetzlich definiert

Frimeso : Ab wann gilt man eigentlich als Senior in Deutschland?

Hackler: Naja, also von Geburt an altert man. Das ist sicher eine Plattitüde, aberwir gehen davon aus, dass wir uns auch schon an die jungen Senioren wenden können und dürfen. Die 45 oder 50-Jährigen sind häufig die Empfehler für die Eltern oder ihre älteren Angehörigen. Einen feststehenden Begriff wer Senior ist, gibt es nicht. Er ist auch nicht gesetzlich definiert. Man ist sowieso so alt, wie man sich fühlt. Man kann das höchstens in Cluster einteilen: Da sind einmal die Menschen die trotz hohen Alters, -das können 70- oder 80-jährige sein-, die äußerst mobil sind.
Dann gibt es die, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Es kommen aber auch die hinzu, die möglicherweise in einem Vorstadium der Demenz sind: Die deutsche Seniorenliga hat 20 Jahre Projekte intimiert im Kampf gegen Demenz bzw. Alzheimer, um so Betroffene und Angehörige zu unterstützen.

Also „den“ Senior gibt es nicht, sondern es gibt im Grunde genommen eine Einteilung danach, wer sich wie fühlt, sowohl körperlich als geistig.

Übrigens zum Sprachgebrauch: Eine Seniorin oder ein Senior in der amerikanischen Wirtschaft ist etwas durchweg Positives: Der „Senior President“ der „Senior Vice-President“ ist eine geachtete Persönlichkeit im Unternehmen. In Deutschland ist das Verhältnis zu dem Seniorenbegriff nicht so eindeutig. Vielleicht hört man mit 65 Jahren aufzuarbeiten. Dass man dann zu jemanden Senior sagen darf, ist glaube ich, durchaus gerechtfertigt. Aber man muss vorsichtig sein. Nicht jeder möchte auch Senior genannt werden.

Generationengerechtigkeit: eine Frage des Dialogs und der gerechten Verteilung zwischen den Generationen

Frimeso : Generell gehört man irgendwann dann doch zu der Gruppe der Senior: Wie siehst du denn das Verhältnis von älteren Menschen zu der jüngeren Generation? Ist das eigentlich von Konflikten geprägt, oder ist es ein harmonisches Verhältnis? Ich denke da beispielsweise an die digitale Zweiteilung, also dass jüngere Menschen sich vermeintlich besser mit den digitalen Medien auskennen.

Hackler:  Das ist auch so, dass wir in der Tat eine digitale Zweiteilung in der Gesellschaft immer noch haben. Die heute 60, 70 oder 80-Jährigen sind nicht mit diesen modernen Kommunikationsmöglichkeiten aufgewachsen bzw. sozialisiert worden.
Potential zu Konflikten gibt es immer mal wieder: Zum Beispiel nehmen wir infolge der Covid-19 Herausforderungen als Bundesrepublik Deutschland wahnsinnig viel Geld als Kredite in die Hand. Manche sehen es vielleicht so, dass wir theoretisch das Holz der zukünftigen Generationen verheizen. An dieser Stelle gilt es dann aber genau zu hinzusehen und aufzupassen, dass dort keine sozialen Konfliktfelder entstehen.

Frimeso : Also für dich ist einer der großen Knackpunkte in der Diskussion zwischen den Generationen die finanziellen Rahmenbedingungen sowie die Generationengerechtigkeit?

Hackler: Ja, das ist richtig. Natürlich dreht sich vieles ums Geld. Wenn ich mir anschaue, dass viele junge Leute, die Berufseinsteiger sind, oder aufgrund ihrer familiären Herausforderungen, etwa weil sie in jungen Jahren Kinder bekommen haben, nicht in der Lage sind, Rücklagen für die Zukunft zu bilden, dann steht auf der anderen Seite aber auch, dass unsere Renten-Bestände nicht so aufgestockt werden können, dass die jungen Leute auch in Zukunft automatisch auf eine gute und sichere Rente vertrauen können.
An dieser Stelle muss im Dialog mit Jung und Alt daran gearbeitet werden, wie das zu schaffen ist. Jüngeren Leuten muss es möglich sein eine Perspektive aufzubauen, die bedeutet: Zukunftssicherung und das Erhalten der sozialen Standards.

Frimeso : Das ist ein guter Punkt. Man könnte allerdings auch in die Gleichung mit einbeziehen, dass viele Jüngere erben werden. Insofern profitieren wir schon auch indirekt vom Reichtum der Senioren?

Hackler:  Durchaus! Wir haben eine Erben-Generation in Deutschland. Aber nicht jeder ist Erbe.  Manch einer bekommt auch schon von den Eltern etwas mit der warmen Hand.  Auch das ist eine Möglichkeit und eine Empfehlung, wenn ich mir das als älterer Mensch erlauben darf. Man darf seinen Kindern und Enkeln, wenn man es denn kann, durchaus schon dann etwas zuwenden, während man das Ganze noch genießen kann, und eben nicht erst auf dem Blatt Papier, welches sich Testament nennt.

Zur Person: Erhard Hackler, nach bewegtem, politischem Leben seit 25 Jahren mit Freude Vorstand der Deutschen Seniorenliga

Frimeso : Ich weiß, dass du ein sehr bewegtes, spannendes politisches Berufsleben davor hattest. Deshalb würde ich gerne wissen, warum du dich damals entschieden hast, ein solches Ehrenamt dann anzunehmen. Was war die Motivation dahinter?

Hackler:  Ich hatte immer Glück im Leben. Ich habe zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Menschen getroffen. Dann gibt man auch gerne etwas an die Gesellschaft zurück. Das tut man am besten im Rahmen eines Ehrenamtes. Und wenn ich sage, ich habe die richtigen Menschen getroffen als ich bei Karl Carstens anfing und er mich weiter empfahl zu Professor Roman Herzog und ich später dann auf Empfehlung von Heiner Geißler mit Norbert Blüm nach Düsseldorf gegangen bin, da waren das eben spannende, unterhaltsame Jahre. Irgendwann habe ich dann überlegt, was kann ich von dem, was ich dort erlebt habe zurückgeben, und das dann vielleicht im Interesse der älteren Generation? Das ist meine Motivation hier, – solange Gott es will.

Diesen Job als Vorstand der Deutschen Seniorenliga zu machen, gemeinsam mit meinem Leben Freund Gerhard Fieberg, der bei uns der Vorstandsvorsitzende ist, ist mir eine große Freude. Gerhard Fieberg war der langjährige Präsident des Bundesamtes der Justiz und unterstützt uns nach Tat und Kraft.

Wohnen und Pflege im Alter: Versorgungsstruktur, seniorengerechte Wohnung, Heimgesetz

Frimeso : Wie wohnt man denn heutzutage im Alter?  Gibt es da im Vergleich zu früher Unterschiede?  Wie schafft man denn generell ein altersgerechtes Wohnumfeld?

Hackler: Die Umfragen, die wir regelmäßig durchführen, sagen uns, dass 80 bis 90 % der Seniorinnen und Senioren am liebsten ganz lange in ihrem häuslichen Umfeld verbleiben. Sie wollen möglichst lange gesund zu Hause leben. Dafür gibt es entsprechende Hinweise: Wenn man im Alter etwas Neues sucht, sollte man auf die Versorgungsstruktur aufpassen. Man braucht die Apotheke in der Nähe, das Einkaufszentrum, den Arzt etc. Manche Senioren ziehen aus ihrem Einfamilienhaus oder ihrer Wohnung noch mal aus, aber sie wollen möglichst in den eigenen vier Wänden bleiben. Man muss also sein Haus so gestalten, dass es niederschwellig ist, um dafür zu sorgen, dass man in dem Haus keine Stürze erleidet. Man könnte zum Beispiel an ein Anti-Rutsch-Bad denken. Man braucht an beiden Seiten der Treppe Handläufe. Am besten nimmt man auch die Teppiche weg usw. Weitere Hilfsmittel nicht sind Lichtleisten vor dem Bett, bis hinein zur Toilette. Wenn ich nachts aufstehen muss, können mir solche Hilfsmittel natürlich das Leben zu Hause deutlich erleichtern.

Frimeso : Wenn man aber doch dann ins Pflegeheim muss. Wie kann ich sicher sein, dass ich oder meine Angehörigen die richtige Wahl getroffen haben? Gibt es verpflichtende Maßgaben? Wer überwacht die Einhaltung der jeweiligen Qualitätsstandards? Gibt es da irgendwelche gesetzlichen Bestimmungen?

Hackler: Für Heime und Residenzen haben wir einerseits in Deutschland das Heimgesetz. Andererseits gibt es die föderale Struktur auch im Bereich der Pflege. Der medizinische Dienst der Krankenkassen prüfen, ob das Heimgesetz eingehalten wird, ob die Standards, die dort vorgegeben sind, auch respektiert werden. Viele Seniorenheime haben auch den Ehrgeiz, diese zu übertreffen, weil es einen Wettbewerb gibt. So lassen sich beispielsweise viele zertifizieren.  Diese Zertifizierung kann dann auch eine positive Auswirkung haben und man kann sagen: „Schaut mal her! Bei uns wohnt man sauber, sicher, wird gut ernährt und gut betreut“!
Es gibt auch andere Fälle: Über die Ausrutscher können wir uns später noch mal unterhalten.

Auch die Besuchs-Beschränkungen im Sommer haben in vielen Fällen zu Ärgernissen und zu Unverständnis geführt. Stell Dir mal vor, dass ein semi-dementer Mensch einfach nicht mitbekommt, warum seine Verwandten ihn jetzt nicht mehr besuchen, um ihm eine warme Suppe, oder was weiß ich, sein dann Kalbsschnitzel zu bringen.

Zusammenfassend: Es gibt die Überprüfung der Qualitätsstandards in den Seniorenheimen, die aber von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausfallen.

Frimeso : Was gibt es eigentlich für Kategorien bei Pflegeeinrichtungen? Nach welchen Kriterien entscheidet man sich richtig, wenn man in ein Pflegeheim ziehen muss?

Hackler: Fragen, die sich Senioren typischerweise stellen, sind:  Wo wohne ich und wo will ich hin? Habe ich dort ein soziales Umfeld, das ich sozusagen mitnehmen kann? Wie weit es ist für meine Angehörigen?
Bei den Einrichtungen gibt es große Unterschiede, die, wie immer im Leben, auch etwas mit den finanziellen Anforderungen zusammenhängen. Das heißt also von einem einfach strukturierte Altersheim oder Alterspflegeheim, bis hin zur Seniorenresidenz gibt es große Unterschiede.  Eine Kategorisierung im klassischen Sinne gibt es eigentlich nicht, sondern man muss sich sehr genau anschauen, wohin will ich, was kann ich mir leisten, und möglichst dann auch einen Besuch dort machen.
Man kann sich umhören. Probewohnen ist ein bisschen schwierig, weil man ja in aller Regel auch ein Teil seiner Möbel mitnimmt. Es gibt auch Leute in der Gemeinde, die man fragen kann. Meistens ist es der Arzt, der Pastor oder andere Mitbewohner, die man fragen kann nach dem jeweiligen Standing des Hauses.

Frimeso : Ihr empfehlt als neutraler Verein keine Einrichtung?

Hackler: Das Ansinnen, das wir solche Heime zertifizieren sollten, haben wir abgelehnt, weil das ist so, wie wenn du ein Restaurant beurteilst. Wir haben auch nicht die Mann- oder die Ladypower, um solche Zertifizierungen vorzunehmen.

Eines tun wir schon: Wir gehen uns mitgeteilten Missständen nach! Wir haben unterschiedliche Möglichkeiten die zu adressieren, z.B. über die örtlichen Abgeordneten. Umgekehrt, wenn es jemand denn möchte, erkundigen wir uns auch darüber, welches Standing eine Wohneinrichtung hat. Hier gibt es auch Quellen, die uns zur Verfügung stehen.
Übrigens, geben wir auch Empfehlungen darüber ab, was bei der Vertragsunterzeichnung zu beachten ist, bevor man dann einen solchen Schritt unternimmt. Bezüglich der rechtlichen Begleitung und Betreuung während man dort ist, können wir noch mal separat sprechen.

Thema Senioren und Wirtschaft (I): Arbeiten im Alter: Zeitalter der permanenten Weiterbildung

Frimeso :  Sprechen wir nun über die Senioren im arbeitsfähigen Alter, also diejenigen die noch durchaus auf dem Arbeitsmarkt zugegen sind. Was können Senioren tun können, um längerfristig wettbewerbsfähig auf dem Arbeitsmarkt zu bleiben?

Hackler:  Wir weißen immer wieder darauf hin, wie wichtig es ist, körperlich und geistig fit zu bleiben.  Das heißt also auch, seine beruflichen Kompetenzen zu trainieren. Im Prinzip leben wir in einem Zeitalter permanenter Weiterbildung: Früher, vor 40 oder 50 Jahren wurde man Maler, Dachdecker, Becker, Anwalt oder Arzt, und das blieb man dann sein Leben lang. Heute haben wir eine Situation, dass man unterschiedliche berufliche Herausforderungen in unterschiedlichen Lebensaltern annimmt. Da ist es eben wesentlich, dass man sich weiterbildet. Sprachkompetenz ist zum Beispiel eine große Herausforderung auf allen unterschiedlichen Ebenen, auch als Monteur am Fließband muss man vielleicht Englisch lesen können oder Französisch verstehen können.
Da gibt es sehr interessante Angebote von der Arbeitgeberseite und von den Gewerkschaften, um eben diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Weiterbildung zu unterstützen.

Frimeso : Begleitet Ihr Unternehmen in diesem Zusammenhang? Könnt ihr zur Not Unternehmen auch da Ratschläge geben?

Hackler: Ja, wir haben mit vielen Unternehmen gesprochen unter dem Gesichtspunkt, dass wir gesagt haben: „Lasst eure älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht so schnell von der Stange!“ Wenn sie aus dem Berufsleben eigentlich aus Altersgründen ausscheiden müssten, dann kann es immer wieder Situationen geben, wo diese Unternehmen auf das Erfahrungswissen der Älteren zurückgreifen möchten. Wir haben mit namhaften deutschen Unternehmen, Aktiengesellschaften aber auch gerade Familienunternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern einen Erfahrungspool gebildet. In Zeiten, wo es beispielsweise heißt, „jetzt brauchen wir bestimmte Leute an der Drehbank oder in der Finanzverwaltung“, wurden so für ein paar Stunden am Tag oder auch vielleicht über Monate Leute zurückgeholt. So konnten die Unternehmen effektiv auf Kompetenzen zurückgreifen, die sie dringend brauchten. Das haben wir dann zusammen immer weiter ausgebaut. Da gibt es viele solcher Beispiele.

Der Pensionsschock: Eine vermeidbare Angelegenheit

Frimeso : Nun zu den Menschen, bei denen die Pension unmittelbar bevorsteht. Von Dir kenne ich den Begriff „Pensionsschock“. Seid Ihr auch da, wenn einzelne eurer Mitglieder Euch um Rat fragen und sagen: „Ich bin ein begeisterter sagen wir Arzt oder Anwalt und in einem Jahr ist Schluss. Was mache ich danach?“

Hackler: Solche Gespräche gibt es natürlich. Wir haben eine bundesweite Informationskampagne zu diesem Thema gemacht. Wir haben hier eine große Kompetenz und werden folglich sowohl von Einzelpersonen als auch von Unternehmen angefragt. Wir geben den Leuten auch eine Broschüre an die Hand und sagen Ihnen zum Beispiel „überleg doch mal, wo du im Ehrenamt tätig werden kannst, oder ob du nicht vielleicht bei der Feuerwehr dich engagieren willst“. Das heißt nicht gleich, dass man als 65-70-jährige auf die Leiter steigt. Sondern man wird da tätig, wo man jüngeren Leuten sein Wissen weitergibt. Man kann sich in einem Gesangverein engagieren, in kirchlichen Einrichtungen usw. Man kann im Alter Sport betreiben. Es gibt zum Beispiel viele Tanzgruppen in Deutschland. Ich weiße hier gerne auch auf die BASGO hin, also die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen in Deutschland. Die sind genauso gemeinnützig wie wir und werden von Franz Müntefering geführt. Die machen dort eine wertvolle Arbeit!

Thema Senioren und Wirtschaft (II):  Senioren als Konsumenten: Bereit für ein qualitativ hochwertiges Produkt zu bezahlen.

Frimeso : Was macht den Konsumenten, der im Seniorenalter ist, deiner Meinung nach aus?  Wie sieht es mit der Wirtschaftskraft von Senioren heute aus?

Hackler: Keine Altersgruppe ist so heterogen, wie die der Senioren. Das betrifft einmal die persönlichen, aber auch die finanziellen Umstände. Es gibt den normalen Pensionär, der mit einer ganz normalen üblichen Pension aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist. Wir haben auch die Menschen im Blick, denen es nicht so gut geht.  Man kann auf der anderen Seite aber auch sagen, dass die ältere Generation im Durchschnitt über eine starke Wirtschaftskraft verfügt. Oft verfügen sie über eine gute Menge Geld, die sie auch im eigenen Interesse ausgeben. Allerdings ist es manchmal schwierig die richtigen Qualitätskriterien anzuwenden. Wir helfen Ihnen dabei, die richtigen Fragen zu stellen, damit sie kompetent die richtige Entscheidungsgrundlage treffen können. Wenn sie sich also ein Fotoapparat oder Fernseher kaufen, helfen wir durch unsere Informationen dabei, dass Konsumenten sich an die richtigen Verkäufer mit den richtigen Fragen wenden.

Generell kann man sagen, dass der ältere Konsument mit seinem Erfahrungswissen bereit für ein qualitativ gutes Produkt, oder eine hochwertige Dienstleistung ist. Er ist dann bereit, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Er ist ein Wirtschaftsfaktor von enormer Bedeutung, national wie international.

Politik: Das zuständige Bundesministerium für Senioren: Politik aus einem Guss

Frimeso : Das für Senioren zuständige Ministerium ist das BMFSFJ, also Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.  Als Mensch, der einen Teil seiner Jugend in der Schröder-Generation verbracht hatte, musste ich beim Nachgucken an Gerhard Schröder denken: „Ministerium für Frauen und Gedöns“. Ich will es nicht lächerlich machen, aber es hört sich schon so an, dass ein Ministerium geschaffen wurde, indem ganz verschiedene Bereiche reingepackt wurden? Ergibt es Sinn, so viele verschiedene gesellschaftliche Gruppen miteinander zu verbinden?

Hackler: Es ergibt schon Sinn, dass man sich in einem Ministerium sowohl um den Aspekt der Familie, der Älteren, der Jüngeren, sowie der Frauen und Jugend kümmert, weil es da viele Überschneidungen gibt. Es geht immer darum, die Lebensqualität in der Gesellschaft und die gesellschaftliche Teilhabe sicherzustellen.

Ein Namensverwandter von mir konnte beispielsweise dort das Projekt „Wohnen unter einem Dach“ verwirklichen, also ältere und jüngere Leute, die zusammenleben und ihr Leben gemeinsam gestalten können. Die Rahmenbedingungen können durch die Politik mitgestaltet und finanziell unterstützt werden.  Auch gab es Untersuchungen, wie man beispielsweise leicht behinderte oder behinderte Menschen in einer solchen Wohngemeinschaft dann integrieren kann.

In dem Ministerium geht es aber auch um andere Fragen, zum Beispiel im Rahmen der Verkehrsstruktur: Wie bewegt sich der Senior demnächst im öffentlichen Verkehr? Der eine nimmt seinem Rollator, der andere geht am Stock, und der wiederum andere bewegt sich vollkommen frei und bleibt bis ins hohe Alter sportlich aktiv. Also, so wie ich es sehe, ist diese Zusammensetzung eine sinnvolle Konstellation. Es ist gut, dass diese unterschiedlichen Aspekte dort alle mitberücksichtigt werden können. Was Politik generell auch in anderen Ministerien betrifft, stoßen Pläne bezüglich unserer Senioren auf offene Ohren. Aber Seniorenpolitik bedarf schon der gesonderten Betrachtung durch ein Ministerium, weil die Ministerien untereinander natürlich wohl auch ein bisschen im Wettbewerb zueinanderstehen. Da will der Verkehrsminister mindestens genauso viel für die Senioren tun, wie der Wirtschafts- und Finanzminister und die Kanzlerin allemal. Seniorinnen und Senioren sind ein wesentlicher Faktor bei Wahlen auf allen Ebenen der Gesellschaft.

Frimeso : Das Ministerium ist also eher als eine Art „Koordinations-Ministerium“, dass sich als Schwerpunkt um die Belange der Senioren, Familie, Frauen und Jugend kümmert; – und dann die Arbeit zwischen den verschiedenen anderen Ministerien koordiniert?

Hackler: Damit es eine Politik aus einem Guss geben kann, ist das so, ja. Als Laie betrachtet ist das zumindest die Wunschvorstellung. Wenn man aber 40 Jahre Politik mitgestaltet hat, weiß man, Politik ist kompetitiv. Das Ministerium ist eine Relais-Stelle, das alles koordinieren kann.

In Realität gibt es dann auch andere Geschichten. Das wäre dann noch einmal so eine Sondersendung, wo wir uns mal über Anekdoten aus dem aktuellen politischen Geschehen unterhalten können, die in den letzten 50-60 Jahre so passiert sind. Ich stamme aus der sogenannten 68er Generation und daher erzähle ich hier ein Beispiel: Helmut Kohl hat oft auch erst am Kabinettstisch erfahren, was eine Ministerin oder Minister so vorhatten. Das war nicht immer schön für den Bundeskanzler, und das ist eigentlich bis heute auch so geblieben.

Senioren im Privatleben: Es ist hedonistischer und globaler geworden

Frimeso : Abschließend möchte ich auf das Thema Senioren im Privatleben zu sprechen kommen. Wie fühlt sich der Senior von heute? Fühlt er oder sie sich bei Zukunftsthemen wie zum Beispiel „Klimawandel“ oder bei „Corona“ ausreichend in den Diskussionen berücksichtigt? Nimmt er oder sie aktiv an solchen Diskussionen teil? Oder sagt er oder sie sich, „das ist wirklich was für die junge Generation. Damit habe ich nicht mehr so viel am Hut“?

Hackler:  Wir hatten schon festgestellt, dass kaum eine Altersgruppe so heterogen ist, wie die der Senioren. Deshalb ist die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben auch unterschiedlich gestaltet. Der eine liest zwei oder drei Tageszeitungen und guckt fern. Der andere interessiert sich für anderes. Es gibt die Leute, die sich in Vereinen und solche, die sich politisch engagieren.

Das Gefühl der älteren Generation kann man vielleicht so beschreiben, dass wenn man sie mit der Vorgänger-Generation vergleicht, ist es eher ein wenig hedonistischer geworden.
Das heißt, meine Oma hat noch Geld zurückgelegt, damit sie uns was geben konnte. Auch meine Eltern haben noch so gedacht. Wir sind eher schon so strukturiert, dass wir sagen: „OK, wir geben gern mit warmer Hand, aber wir geben auch gern Geld für uns selbst aus.“ Wir reisen gern. Wir können uns etwas leisten. Das ist so ein durchgängiges Gefühl, weshalb dann sich auch Seniorinnen und Senioren an uns wenden und sagen: „Ich will mir jetzt ein neues Handy kaufen“ oder ein Fahrrad, was seitdem Pandemie-Ausbruch sehr in Vogue ist.

Empfehlungen von uns, was das seniorengerechte Fahrrad, oder das seniorengerechte Handy ist, oder welche Fernsehanlage einfach zu bedienen ist, gibt es dann natürlich gern. Die Senioren fühlen sich in aller Regel mitgenommen und einige im technischen Bereich zurückgelassen. Dagegen arbeiten wir an.
Das Lebensgefühl ist auch ein globaleres geworden. Vor 20, 30 oder 40 Jahren ist der Senior oft nie mehr als 100 km über seinen Wohnort hinausgekommen. Heute ist der Senior mit dem Flieger unterwegs, bevölkert eine Unzahl von Schiffen auf Kreuzfahrten. Heute wollen die Leute fliegen. Sie fliegen auch einmal nur übers Wochenende weg.

Es gibt also schon riesige Unterschiede, vielleicht doch auch, weil es uns wirtschaftlich besser geht, und weil man das ja alles auch frei Haus als Angebot geliefert bekommt. Auch erleben wir die Anreize über die Medien. Und wenn man dann irgendwo im Ausland gewesen ist, dann sagt man sich vielleicht, es genügt nicht mehr mit dem Käfer über den Brenner zu fahren. „Dann fliege ich eben gerade mal nach Argentinien.“

Die Alters-Weisheit und Alters-Gelassenheit: Ein Vorurteil?

Frimeso :  Stimmt das Vorurteil, dass ältere Menschen über Alters-Weisheit und auch über Alters-Gelassenheit verfügen?

Hackler: Alters-Gelassenheit kann ich nur aus eigener Erfahrung beurteilen: Ja.
Man wird etwas ruhiger und gelassener im Alter. Es ist schon ein Unterschied, ob ich an abends um 11 Uhr in die Disco gehe, und dann bis drei durchfeiere, oder ob ich mit 70 mir abends eine Pastorale auflege und bei einem Glas Rotwein dann langsam ich den Fernseh-Schlaf rüber gleite.
Ja, die Gelassenheit im Alter gibt es. Und es gibt auch die Altersweisheit, denn man hat ja eine Menge Erfahrungen gesammelt. Man wird etwas ruhiger und differenzierter. Vielleicht ist man nicht mehr ganz so aufbrausend. Ob man philosophischer wird, weiß ich nicht. Hinsichtlich der theologischen und religiösen Themen will ich mich zurückhalten. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Der Freikirchler sagt einfach „näher mein Gott zu dir“ und der, der nicht glaubt, der sagt eben, „ok, gut, dann gestalte ich meinen Lebensabend so, dass ich eben sagen kann, ich habe gut gelebt, ich habe lange gelebt und das genügt mir“.

Frimeso : Die Deutsche Seniorenliga behandelt, eine Vielzahl von Themen, die wir gar nicht hier angesprochen haben. Für eine Vielzahl von Themen haltet ihr auch Informationsbroschüren bereit. Wie bekommt man die?

Hackler: Am besten schaut man mal ins Internet. Wenn man es sich selbst nicht kann, fragt man vielleicht den Enkel oder die Kinder. Die Themen, die die Seniorenliga bearbeitet, kommunizieren wir im Wesentlichen über die Medien, – also über Print und Online-Medien.
Das sind Themen, die sehr stark im Gesundheitsbereich angesiedelt sind, aber auch in den technischen Bereichen. Da geht es zum Beispiel um das sichere Zuhause oder um Notrufsysteme. Wenn man da sich kompetent machen möchte, kann man sich gerne an uns mit einem Brief oder Postkarte wenden. Die Deutsche Seniorenliga in der Heilsbachstr 32 in 53123 Bonn.

Wir senden dann gerne individualisiert und kostenlos diese Broschüren zu. Broschüren kann man auch im Internet herunterladen.

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