Episode 3 – Michael Will, Digitale Heinzelmännchen

Die Technik kommt zum Schluss: Wir gehen immer erst auf den Menschen ein. Dann schauen wir erst was die beste Lösung ist

 

Die Digitalen Heinzelmännchen ein Unternehmen mit sozialen Mehrwert

Frimeso : Können Sie sich bitte selbst vorstellen?

Will: Ich heiße Michael Will, werde demnächst 60 und habe drei Kinder. Ich bin im Schwabenland aufgewachsen und wohne seit 14 Jahren hier in Köln. 35 Jahre meines Lebens habe in einem internationalen IT-Konzern verbracht. Vor vier Jahren habe ich mich dann entschlossen noch mal was ganz Neues auszuprobieren und die Digitalen Heinzelmännchen gegründet.

Frimeso : Könnten Sie vielleicht mehr über die Gründerphase erzählen und wie sie auf den Namen digitale Heinzelmännchen gekommen sind?

Will: Ich wusste eigentlich schon, dass ich ein Unternehmen gründen wollte, dass gleichzeitig einen sozialen Mehrwert mit sich bringt. Auch wollte ich meine langjährigen Erfahrungen mit einbringen. Am Anfang stand eine grobe Idee, die dann immer konkreter wurde. Nach etwa einem halben Jahr sagte ich mir: Daraus könnte wirklich was werden!

Der Idee das Unternehmen Digitale Heinzelmännchen zu nennen, ist im Rahmen eines Existenzgründungskurs in der Gruppe entstanden.  Für mich war es wichtig, einen Namen zu finden mit dem die Kölner sich identifizieren können. Gleichzeitig sollte der Namen die digitale Welt miteinschließen. Es gibt allerdings einen Unterschied zu den früheren Heinzelmännchen: Wir arbeiten hauptsächlich tagsüber und die Heinzelmännchen waren der Sage nach die fleißigen Helfer in der Nacht.

Frimeso : Wer sind Ihre Kunden und welchen Themenschwerpunkten widmen Sie sich hauptsächlich?

Will:  Unsere Devise heißt: Egal wo der digitale Schuh drückt, wir helfen Ihnen! Es kann sich dabei um Fragen der richtigen Hardware oder auch um das Internet selbst handeln. Oft fällt es unseren Kunden schwer zu definieren, wo eigentlich die Herausforderung liegt. Deswegen ist es eben wichtig, dass unser Angebot ein umfassendes ist.

Wir arbeiten vorwiegend mit Kunden und Kundinnen zwischen 60 und 80. Wir lehnen keine jüngeren Kunden ab, aber natürlich tut sich die jüngere Generation mit der digitalen Technologien leichter als viele ältere Menschen.

Frimeso : Wie sieht der berufliche Alltag der Digitalen Heinzelmännchen aus?

Will:  Für viele Kunden ist es einfacher, wenn wir zu Ihnen nach Hause kommen. Es geht aber auch darum, ihre Infrastruktur vor Ort zu verstehen. Dort machen wir dann auch in der Regel unsere Beratung. Wir sind also viel unterwegs

Zuerst der Mensch, dann die Technik

Frimeso : Abgesehen vom beruflichen Fachwissen und im Hinblick auf Ihren speziellen Kundenstamm, nach welchen Kriterien wählen Sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus? Könnten Sie in diesem Zusammenhang auch die Philosophie ihres Unternehmens beschreiben?

Will: Qualifiziertes Wissen ist unabdingbar, um Kundenzufriedenheit zu gewährleisten. Auf der anderen Seite braucht es menschliche Kompetenz. Unsere Mitarbeiter müssen ihr Wissen gut vermitteln zu können. Unser Konzept ist es nicht, einfach nur Probleme zu lösen. Wir befähigen unsere Kunden immer dazu zu lernen. Sie sollen autonom werden. Unser Erfolg liegt darin begründet, dass Menschen Lust haben, sich mit den Dingen zu beschäftigen und ihre digitalen Probleme zu lösen.  Im Übrigen arbeiten wir in unserem Team jüngere und ältere Menschen zusammen. Der junge Teil unserer Belegschaft sorgt dafür, dass wir bei den Innovationen immer am Ball bleiben und nichts verpassen.

Unsere Arbeit besteht im Kern darin, Problemlösungen erst einmal beiseite zu lassen und zu verstehen, welche Bedürfnisse der Kunde wirklich hat. Was ist Ihm wichtig? Wie sieht seine Ausstattung aus? Welche Fähigkeiten hat der Kunde? E ist uns also sehr wichtig zuzuhören. Auch versuchen wir zu erspüren, was dem Kunden oder der Kundin Spaß macht.  Denn mit Spaß kommt Motivation. Gehen Sie gerne ins Theater? Schauen sie Sich gerne Kunstwerke im Museum an? Wenn sie, um bei dem Beispiel zu bleiben, verstehen, dass man Saalpläne in der Philharmonie anschauen kann und dann online den richtigen Platz bestellen kann, dann kommt die Motivation von allein. Anderes Beispiel: in Corona-Zeiten haben viele Museen weltweit ihre Kollektionen online gestellt. Auf einmal wird Internet konkret erfahrbar und ungeahnte Möglichkeiten kommen zum Vorschein!

Natürlich könnten viele auch auf die Hilfe der Nachbarn, Kinder oder Enkelkinder zurückgreifen. Der Enkel nimmt dem Opa dann aber in der Regel das Handy unbewusst aus der Hand und löst das Problem, ohne es genau erklären zu können, was er da eigentlich gerade gemacht hat. Das Problem ist vielleicht gelöst. Aber die Unsicherheit beim Opa oder der Oma bleiben.

Am Ende soll dem Kunden oder der Kundin die digitale Welt ein Stück nähergebracht werden, so dass Unsicherheiten beseitigt werden und das Verständnis kommt. Nehmen wir das Beispiel Internet: Der Kunde fragt sich, was ist eigentlich genau ein Router? Warum gibt es Browser? Das sind oft abstrakte Begriffe, die erklärt werden müssen. Wie werden Daten transportiert? Irgendwann gelingt es den Leuten diese Zusammenhänge zu verstehen

Die Technik kommt dabei zum Schluss: Wir gehen immer erst auf den Menschen ein, Dann schauen wir erst was die beste Lösung ist.  Mit Spaß kommt dann auch die Lust am digitalen Leben als mündiger Bürger teilzuhaben.

Die Digitale Sicherheit fängt zuhause an: Updates, online einkaufen, Passwörter und sicheres Online-Banking

Frimeso : Stimmt das Vorurteil, dass bei vielen älteren Menschen noch die Bedenken überwiegen, dass man sich im Internet nicht sicher bewegen kann?

Will: Man kann sicher im Internet einkaufen, aber Risken gibt es wie im echten Leben überall. Es gibt Dinge zu beachten, die das Einkaufen sicher machen.

Die meisten Betriebssysteme verfügen über gute Sicherheitssysteme., sofern sie auf den letzten Stand sind. Das A und O ist es also, dass alle Updates auch installiert werden.

Die bekannten Einkaufsportale sind sehr sicher. Bei allen Bedenken überwiegen meist die Vorteile, diese zu nutzen. Ein Beispiel: Eine in ihrer Mobilität eingeschränkte Kundin bestellt ihre Waren bei einem Lebensmitteldiscounter online. Sie freut sich dann immer am nächsten Tag ihre frischen Waren in ihr Haus geliefert zu bekommen.

Auch gilt es bei der Auswahl des richtigen Passworts Aufklärungsarbeit zu leisten.

Das eigene Geburtsdatum oder ähnliches ist nicht der richtige Ansatz. Wir loten dann zusammen aus, wie man am besten sein eigenes Passwort generiert. Oft sind unsere Kunden sehr gebildet, kennen sich in Prosa und Kultur gut aus. Wir erklären, aus welchen Komponenten ein sicheres Passwort bestehen sollte. Wenn man darin auch noch etwas aus seinem Lieblingsgedicht mit einarbeitet, vergisst man es auch nicht mehr.

Es wird auch viel über online Banking diskutiert. Die Sicherheitsmechanismen sind inzwischen so verschärft worden, da dass wir hier inzwischen vor ganz anderen Herausforderungen stehen:

Banken bieten mit ihrem jungen Personal immer häufiger bevorzugt Lösungen an, die sich vor allem auf das mobile Angebot beziehen. Für viele ältere Menschen ist das ungewohnt. Die alternative aber immer noch vorhandene Lösung einer Foto-TAN mit Lesegerät ist ebenso sicher und für ältere Menschen oft die bessere Lösung.

Wir versuchen also nicht nur eine sichere Lösung zu finden, sondern eine, die für den Kunden sicher und praktikabel ist.

Datenspeicherung bei externen Servern Nachteile und Vorteile abwägen 

Frimeso : Ist älteren Menschen eigentlich bewusst, dass Daten vorwiegend außerhalb des eigenen Computers gespeichert werden? Gibt es da einen besondere Hemmschwelle bei älteren Menschen?

Will: Das ist für viele in der Tat nicht einfach zu verstehen. Wir helfen vor allem dabei, die wichtigsten Daten auch noch einmal lokal auf einer externen Platte abzusichern.

Was das Speichern von Daten auf externen Servern angeht ist es generell nicht einfach beispielsweise abzuwägen, ob man die Benutzung von WhatsApp empfehlen kann. Wir erklären, dass die verschickten Bilder irgendwo abgespeichert werden. Aber es ist auch wichtig zu verstehen, dass es ein Riesenglück ist, dass Seniorinnen und Senioren mit ihren Kindern und Enkelkindern Informationen austuschen können. Das ist doch eine der schönsten Neuerungen der letzten Jahre, dass Großeltern Bilder geschickt bekommen. Teilhabe an dem Leben der anderen wird auf einmal anders möglich. Die Devise heißt also aufklären und die Risiken und Vorteile abwägen. Die Kunden sind alle mündige Menschen, die dann auf dieser Basis entscheiden können. Sie könnten theoretisch auch ihr Umfeld dazu bewegen andere, sicherere Lösungen zu bevorzugen, die es ja auch gibt.

SUSI Eine Initiative, die ältere Menschen in Sicherheitsfragen sensibilisiert

Frimeso : Sie unterstützen eine Initiative, die sich SUSI, also Smart und Sicher im Internet nennt, und in Kooperation mit der Kölner Polizei stattfindet.  Was steckt hinter SUSI?

Will: Diese von einem Verein organisierten Veranstaltungen sind in der Regel sehr gut besucht und helfen den Menschen nicht auf Betrüger hereinzufallen Die für Cybercrime zuständige Abteilung der Kölner Polizei erzählt praxisnah, was alles so im wirklichen digitalen Leben passiert und wie Kriminelle vorgehen. Wir klären dann auf, wie man solche kriminelle Eingriffe verhindern kann. Das ist eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit.

Ich sage meinen Kunden sowieso immer. Wenn Sie irgendwelche Bedenken haben, egal was es denn auch sei, machen Sie den Anhang lieber nicht auf, sondern rufen Sie mich an. Oft sehen diese Mails auch täuschend echt aus. Meistens merken die Leute schon, dass irgendetwas nicht stimmt. Und trotzdem hat man schnell mal aus Versehen den berühmten Anhang verschickt.

Es geht uns darum Menschen durch unsere Aufklärungsarbeit zu sensibilisieren.

Digitale Zweiteilung aktiver begegnen: Bürger digital fit machen und zur Teilhabe befähigen.

Frimeso : Es gibt wohl keinen Zweifel daran, dass es so etwas wie eine digitale Zweiteilung gibt. Gleichzeitig schreitet die Digitalisierung auch bei der älteren Hälfte der Bevölkerung voran. Wo sehen sie die sozial-politische Herausforderung, um diese Kluft zu verkleinern und gegebenenfalls ganz verschwinden zu lassen?

Will: Die digitale Zweiteilung gibt es und sie ist sicherlich eine Herausforderung, die wir noch aktiver angehen müssen. Wir könnten für die älteren Leute da mehr tun. Älteren Menschen vorzuschlagen einen Kurs in der Volkshochschule zu besuchen, wird nicht reichen. Die ältere Generation hat in sich unterschiedlichere Wissensstände. Ältere Menschen lernen auch anders. Deswegen sind wir überzeugt von unserem Ansatz, individuelles Lernen zu fördern. Es muss auf den einzelnen Menschen geachtet und seine Fähigkeiten müssen beachtet werden.

Einerseits gibt es immer mehr digitale Angebote auch für Ältere. Andererseits schauen zu Wenige danach, dass gerade die ältere Menschen diese Angebote auch nutzen können. Es gibt großartige private Initiativen, wo zum Beispiel Schüler Senioren digitale Inhalte näher bringen.  Mir sagen immer wieder Teilnehmer, wie großartig solche Veranstaltungen funktionieren.  Aber sie sagen mir eben auch, dass sie gerne genauso professionell bedient werden wollen, wie der andere Teil der Bevölkerung. Dies geschieht noch zu wenig.

Frimeso :  Wie muss denn mehr getan werden? Sind es die Unternehmen, die ihre Angebote erweitern sollten oder sollte die Politik, bei Ihren Digitalisierungsbemühungen den älteren Teil der Bevölkerung mehr einbeziehen?

Will:  Ich beziehe mich auf die Unternehmen und die Politik. Nehmen Sie die vielen Filial-Schließungen der Banken. Älteren bleibt oft nichts anderes übrig ihre Bankgeschäfte online zu erledigen. Warum müssen dann die Online-Portale so kompliziert gestaltet ein sein, wenn der ältere Mensch oft doch nur Überweisung, Kontoabfrage, und Kontoauszüge braucht?  Man kann hier schon viel mit Voreinstellungen arbeiten und die Portale für sich vereinfachen. Aber der Kunde muss diese Möglichkeiten auch kennenlernen dürfen.

Generell haben die Hersteller schon viel in dieser Hinsicht geleistet. In Windows, Apple und den anderen Betriebssystemen kann man inzwischen einiges voreinstellen, dass Senioren das Leben erleichtert, wie zum Beispiel Lupen einstellen, Schriftgrössen ändern usw. Aber, kennen tun diese Möglichkeiten nur die wenigsten. Der Jüngere kennt die Möglichkeiten meist sowieso nicht, weil er sie selbst nicht braucht. Wer erklärt nun den Älteren, dass es da so viele praktische Funktionen gibt?   

Die Digitalen Heinzelmännchen sind ein kommerzielles Unternehmen. Da wir kein Verein sind bekommen wir auch keine Unterstützung. Auch wenn unsere Stundensätze sehr gering sind, können wir schon aus finanziellen Gründen nicht alle erreichen.  Wenn wir aber mehr Leute erreichen wollten, müsste die Politik diese Konzepte breiter unterstützen. Damit meine ich nicht freiwillige Arbeit, sondern professionelle Unterstützung, damit man den Herausforderungen auch gerecht werden kann.

Abschließend bleibt festzustellen, dass die Menschen durch Digitalisierung neue Möglichkeiten an die Hand bekommen. Ältere Menschen sollen befähigt werden, digitale Zusammenhänge zu verstehen und anschließend autonom und informiert zu entscheiden, ob er die jeweiligen Tools auch nutzen möchte. Die Menschen sollen Vorteile und Nachteile miteinander abwägen und mit Wissen und mit Mut entscheiden, wie sie sich in der Digitalen Welt aufhalten und bewegen möchten.

Frimeso : Wie bekommt man mit Ihnen Kontakt, wenn man mit ihnen arbeiten will?

Will: Wir arbeiten in Köln und Umgebung. Mehr Formationen zu den Digitalen Heinzelmännchen gibt es hier:  https://www.digitale-heinzelmaennchen.de/.  Wir sind auch unter folgender Nummer zu erreichen:  +49 221 29 20 59 Wir rufen dann alsbald zurück und besprechen alles weitere. Viele Kunden bleiben uns nach der Kontaktaufnahme treu und wir erschließen gemeinsam die digitale Welt.

 

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Episode 2: Hans-Ingo Biehl, Geschäftsführer des GeschäftsreiseVerbands VDR.

 

Zur Person Hans-Ingo Biehl:  Geschäftsführer und Sportler

Frimeso: Könnten Sie sich bitte kurz selbst vorstellen?

Biehl: Mein Name ist Hans-Ingo Biehl. Ich bin 62 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder und lebe in Darmstadt. Seit 2002 bin ich beim VDR beschäftigt, dessen Hauptsitz und Frankfurt / Main ist. Ich habe vorher schon viele Jahre in der Geschäftsreiseindustrie verbracht.

Frimeso: Reisen Sie in Ihrer Funktion als Vorstand für den VDR viel, wenn nicht gerade Pandemie-Zeit ist?

Biehl:  Ja, das tue ich. Wir haben in Deutschland sieben regionale Strukturen, die von Regionalleitern organisiert werden. Ich versuche regelmäßig vor Ort zu sein.  Auch bin ich öfters im politischen Berlin und auch mal in Brüssel.

Frimeso: Auf ihrer Homepage habe ich gelesen, dass Ihr Lieblingsverein der FC Bayern ist. Warum?

Biehl: Ich bin ein echter Heiner wie wir in Darmstadt sagen. Daher schlägt mein Herz auch hier bei unserem Verein SV 98 Darmstadt, bei dem ich auch mal gespielt habe.  Aber der FC Bayern war schon seit meiner Kindheit der Verein, den ich immer bewundert habe. Als ich 8 Jahre alt war, war ich mit meiner Familie im Urlaub am Schliersee, wo der große FC Bayern ein Freundschaftsspiel hatte, welches sie 25:2 gewonnen hatten. Wir Jungs saßen am Spielfeldrand, direkt an der Torraumlinie. Nach dem Spiel kam Gerd Müller und er gab mir sein Trikot. Ich habe heute noch das Wappen aus dem Trikot, dass sich leider verschlissen hat im Laufe der Jahre.

Frimeso: Sie sprachen schon ihre Fußball-Vergangenheit an. Welche Sportarten betreiben Sie noch?

Biehl: Früher waren es Ballsportarten. Als Fußball nicht mehr funktioniert hatte, habe ich auf Basketball umgesattelt und in der 2. Bundesliga mitgespielt. Inzwischen trifft man mich hin und wieder auf den Golfplatz. Ich spiele auch noch Tennis und versuche so aktiv wie möglich zu sein.  Ich gehe auch gerne laufen.  Sport gehört zu meinem Wochen-Rhythmus dazu.

 

Der GeschäftsreiseVerband VDR

Frimeso:  Der Name VDR, also Verband Deutsches Reisemanagement, deutet auf den ersten Blick nicht unbedingt auf „Geschäftsreisen“ hin. Wie kam es zu diesem Namen?

Biehl: Der VDR ist damals aus einer Idee entstanden, die Reisestellen der Unternehmen (, so hießen sie damals,) zu organisieren und eine Interessenvertretung zu gründen. 1974 haben sich acht Reisestellenleiter zusammengetan und diesen Verein der Reisestellenleiter gegründet, dem späteren VDR.

Es ist immer noch nicht jedem geläufig, was Reisemanagement eigentlich bedeutet: Wir haben nichts mit der Privatreise zu tun.  Wir sind kein Reisebüro. Wir bieten auch keine Dienstleistungen für Reisen an, sondern wir sind der Interessenvertreter für solche Wirtschaftsunternehmen, die ihre Mitarbeiter auf Reisen schicken.  Zu welchen Rahmenbedingungen sie das machen, und wie sie das am besten organisieren, dafür gibt es den VDR.

Wir haben den VDR in unserer Industrie als Marke erfolgreich positioniert.  Wir haben uns aber auch und insbesondere als „GeschäftsreiseVerband“ positioniert.

Frimeso:  Mit was für Unternehmen arbeiten sie typischerweise? Sind es eher große Unternehmen oder auch mittelständische Unternehmen?

Biehl: Im Prinzip kann jedes Unternehmen bei uns Mitglied werden, dass über eine eigene für Geschäftsreisen zuständige Organisationseinheit verfügt.

Wir arbeiten mit einem breiten Spektrum an Unternehmen zusammen. Das einerseits DAX-Unternehme, andererseits viele Mittelständler. Bei kleineren Unternehmen ist oft eine Assistenzstelle für die Organisation der Reisen zuständig. Diese Assistenz ist dann unser Ansprechpartner. Bei Den Dax Unternehmen gibt es meistens ganze Abteillungen von 10 bis 15 Mitarbeitern, die für Geschäftsreisen zuständig sind. Sie fungieren dabei nicht als Reisebüro, sondern vielmehr als strategische Reiseplaner. Sie erstellen Reiserichtlinien und regeln, nach welchen Kriterien gereist werden darf.  Auch versuchen sie stetig den Reiseprozess optimieren. Das ist im Übrigen das, was wir als Reisemanagement oder Travel Management bezeichnen.

 

Ein Netzwerk, dass allen hilft

Frimeso: Einer der Vorteile bei Ihnen Mitglied zu werden, ist Ihr großes Netzwerk. Was ist an Ihrem Netzwerk besonders?

Biehl:  Wir bieten die Plattform, auf der Travel-Manager der verschiedenen Unternehmen sich untereinander austauschen können. So kann sich der Travel-Manager von Siemens mit dem Travel-Manager von Daimler austauschen, oder eben der Mittelständler mit einem anderen Mittelständler.

Das ist von für unsere Mitglieder von unschätzbaren Wert. Unsere Mitglieder tauschen sich aus über Fragen wie „Wer hat eine weltweite Kreditkarte als Zahlungsmittel eingeführt? Worauf muss man da achten?“

 

Kommunikation für die Mitglieder als Kernaufgabe

Frimeso: ihre Website ist sehr gut durchstrukturiert. Auch sind Sie stark in den Sozialen Medien vertreten. Sie haben einen eigenen Podcast. Ihr Verband scheint großen Wert auf Kommunikation sowie die Schaffung von digitalen Inhalten zu legen?

Biehl:  Es ist uns wichtig, Informationen zeitgemäß zur Verfügung zu stellen. Wir waren da schon immer am Ball.  Was die sozialen Medien betrifft, ist gerade in den letzten Jahren viel passiert. Insofern sind wir heute anderes gefordert als noch vor 10 Jahren.

Eine gute Kommunikation ist schon allein für unsere Mitglieder notwendig. Sie spiegeln uns wider, dass sie diese benötigen, um ihren Job gut machen zu können.

 

Die Geschäftsreiseanalyse des VDR: Das Standardwerk einer ganzen Branche

Frimeso: Jedes Jahr bringt der VDR eine Geschäftsreiseanalyse heraus. Ein umfassendes Dokument, mit vielen Daten und Fakten. Warum nehmen Sie diese Mühe auf sich, und wie erheben Sie diese Zahlen?

Biehl: Die VDR Geschäftsreiseanalyse ist ein regelrechtes Standartwerk der Industrie geworden, der auch bei Politik und Wirtschaft anerkannt ist.

Wir erheben repräsentative Interviews mit Geschäftsreiseverantwortlichen von 800 Unternehmen, die sich auf ihre internen Reisekostenabrechnungen beziehen. Die Unternehmen müssen mindestens 10 Mitarbeiter haben. Der selbständige Architekt, der auch mal zur weiter entfernten Baustelle reißt, ist also nicht mit eingerechnet.  Auch fragen wir Trendthemen ab.

Die Kerndaten: Im letzten Jahr wurden bei fast 200 Mio. Geschäftsreisen 55 MRD Euro umgesetzt. 13 Mio. Menschen waren als Geschäftsreisende unterwegs.

 

Die Folgen der Pandemie auf das Jahr 2020 (und wohl auch für 2021) sind gravierend

Frimeso:  Die Zahlen werden für 2020 Pandemie-bedingt wohl ganz anders aussehen.  Haben sie diesbezüglich schon Erhebungen gemacht?

Biehl:  Wir haben diesbezüglich eine Barometerumfrage entwickelt, die wir derzeit regelmäßig alle zwei bis drei Wochen durchführen.

Im letzten Monat lag die Reisetätigkeit bei 10 % im Vergleich zum selben Monat im Vorjahr.  Auch für das nächste Jahr sieht es noch verhalten aus. Wir gehen davon aus, dass etwa 20 % wieder zurückkommen. Das ist alles abhängig von der Situation rund um COVID und von Region zu Region unterschiedlich.

Generell gibt es viele Unsicherheiten. Zum Beispiel kam zwischenzeitlich die Maßnahme des Beherbergungsverbotes auf. Viele Unternehmen verzichten lieber erst einmal auf Geschäftsreisen, bevor man sich fragen muss, ob mein Mitarbeiter überhaupt an seinem Zielort übernachten kann, oder nach Beendigung der Reise sogar vielleicht in Quarantäne muss.

 

Digitalisierung wird die Geschäftsreisewelt auch nachhaltig verändern, wird aber den persönlichen Kontakt nur teilweise ersetzen

Frimeso:  Gehen Sie von einer kompletten Erholung des Wirtschaftszweiges aus? Wenn ja, wann rechnen Sie damit?

Biehl: Das ist eine Frage, die ich gerne genauer beantworten würde, wenn ich es denn könnte. Wir rechnen aber schon damit, dass es der Branche bald wieder deutlich besser geht. Ob aber alles wieder so wird wie vorher, ist zweifelhaft.  Viele Unternehmen stellen jetzt fest, dass sie durch die digitalen Möglichkeiten einer Videokonferenz viele Dinge auch direkt vom Standort aus erledigen können. Mal eben schnell für drei Stunden zu einem Geschäftsessen nach Berlin fliegen, wird wohl noch mehr hinterfragt als es sowieso schon der Fall war. Da wird wohl ein großer Prozentsatz an Reisen nicht mehr stattfinden.

Frimeso:  Allerdings ist persönlicher Kontakt und der gemeinsame Austausch doch auch wichtig, um mit seinen Kunden ein persönliches Verhältnis aufzubauen. Das ist doch über eine Videokonferenz nur eingeschränkt möglich?

Biehl: Richtig, aber es ist doch möglich. Heute finden auch Personalgespräche über die Videokonferenz statt. Das setzt allerdings immer voraus, dass ich den anderen schon kenne. Deswegen gebe ich ihnen Recht, dass es bei der bei der Geschäftsanbahnung, wo ich noch gar kein Gefühl für den Kunden entwickelt habe, schwierig ist. Es wird auch bestimmt diese persönlichen Kontakte weiterhin geben. Im welchem Volumen und in welcher Frequenz bleibt dabei abzuwarten.

Die Industrie wird sich neu aufstellen. Viele Unternehmen werden noch genauer überlegen, ob die Reisetätigkeit in der Form, in der sie notwendig war, auch in Zukunft notwendig ist.

 

Geschäftsreisende ausgabefreudiger als Urlaubsreisende

Frimeso:  Ihrer Analyse zu 2019 konnte ich entnehmen, dass der Geschäftsreisende im Schnitt €169,- Tag ausgibt. Der Urlaubsreisende gibt etwa nur die Hälfte aus. Woran liegt das?

Biehl: Das liegt wohl daran, dass der Geschäftsreisende seine Kosten erstattet bekommt und dann auch mal abends in ein Restaurant geht, wo der Urlaubsreisende vielleicht eher vor zurückschrecken würde.  Außerdem haben viele Urlaubsreisende ein Pauschal-Arrangement, wo vieles in seinem Paket integriert ist.

 

Die politischen Kernforderungen des VDR: Gute Rahmenbedingungen durch Bürokratieraufbau schaffen, Reisemanagement vereinfachen und nachhaltig reisen

Frimeso:  Sie erwähnten ihre politische Agenda. Könnten Sie diese beschreiben? Was sind die Kernforderungen des VDR?

Biehl: Mit den politischen Vertretern sprechen wir vor allem über die Rahmenbedingungen von Geschäftsreisen. Bei diesem Industriezweig geht um eine Menge Geld. Auch ist es uns ein Anliegen, das Thema Reisemanagement in das Bewusstsein zu holen.  Wir setzen uns für Bürokratieabbau bei der Organisation von Geschäftsreisen ein. Wir schauen uns Steuergesetzgebung genau an. Wir fragen danach, wie die Geschäftsreisebranche nachhaltig reisen kann. Kurzum. wir versuchen in solchen politischen Entscheidungsprozessen mit eingebunden zu werden.  Auch wollen wir diese Themen in Berlin und Brüssel platzieren und sagen „Wir unterstützen Euch gerne. „

 

Günstigere Reise-Sonderkonditionen für Mittelständler: möglich dank V-Kon

Frimeso: Was sind die Kern-Dienstleistungen, die sie ihren Mitgliedern anbieten?

Biehl:   Unter anderem bieten wir Mit V-Kon Einkaufsvorteile für kleine und mittelständische Unternehmen, die von ihrem Reisevolumen her gesehen zu klein sind, allein von einer Fluggesellschaft oder von einem Mietwagenanbieter Sonderkonditionen zu bekommen. Die großen Unternehmen haben meist schon von Haus aus Rahmenabkommen getroffen.

Außerdem beantworten wir Fragen zu Rechts- und Steuerangelegenheiten. Wir haben einen Justiziar, den wir diese Fragen weiterleiten. Daneben gibt es noch eine Reihe von anderen Dienstleistungen.

Der Travel-Manager, ein anspruchsvoller Beruf an der Schnittstelle zwischen Führung und Mitarbeitern

Frimeso:  Sie organisieren auch eine Jobbörse für Travel-Manager. Was muss ein Travel-Manager an Skills und Fähigkeiten mitbringen?

Biehl: Das Berufsbild hat sich sehr gewandelt. Früher haben Travel Manager teilweise noch die Reisen gebucht und er hat operativ gearbeitet.  Heute ist er oder sie ein(e) strategisch denkende(r)Mitarbeiter(in). Es werden Rahmenbedingungen und Reiserichtlinien aufgesetzt und dann auch nach allen Seiten kommuniziert.

Dabei muss er der Führung erklären, warum die Ausgaben für Geschäftsreisen höher waren als im letzten Jahr. Er muss also das Kostenmanagement mitgestalten. Seinen Mitarbeiten muss er erklären, warum er plötzlich nicht mehr 1. Klasse reisen darf.  Es also ist nicht der einfachste Posten, weil er oder sie es eben auch mit Kosteneinsparungen zu tun hat.

Er muss also ein guter Kommunikator bzw. Kommunikatorin sein und vor allem ein guter Stratege!

Frimeso: Es gibt ja auch die Möglichkeit mit externen Firmen zu arbeiten, also zum Beispiel mit digitalen Reiseportalen.

Biehl: Das gibt es auch. Diese Art von externen TMC (travel management companies) übernehmen teilweise auch das Travel Management. Die Herausforderung dabei ist, dass im Unternehmen selbst ja die Prozesse gesteuert werden sollen.  Das Travel Management ganz nach außen zu geben ist riskant.

Wir sagen eher, dass man im Unternehmen zumindest einen braucht, der eben diese Strategien formuliert. Die Umsetzung kann dann ggf. durch das Geschäftsreisemanagement-Unternehmen erfolgen.  Wir sind Befürworter einer eigenen verantwortlichen Position im Unternehmen, die vorgeben nach welchen Kriterien gereist werden sollen.

Frimeso: Wer und Wie kann man bei Ihnen Mitglied werden?

Biehl:  Jedes Unternehmen mit einer Organisationseinheit, die sich den Geschäftsreisen widmet.

Unter https://www.vdr-service.de kann man uns am besten erreichen. Dort findet man alle Kriterien und auch den Antrag.
Auch organisieren wir regelmäßig Veranstaltungen im Herbst und im Frühjahr zum Thema Geschäftsreisen, die für jedermann zugänglich sind. Diese Veranstaltungen sind zur Zeit virtuell.

 

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Episode 2 – Angelika Kindt, Deutschlands Working Silverlady

 

Entrümpeln, loslassen und nach vorne schauen hat sehr viel mit Lebensqualität zu tun.

 

Angelika Kindt Eine bewegte Frau

Frimeso:  Wie sind Sie auf den Namen „Working Silverlady“ gekommen?

Kindt:  Vor ca. 3 Jahren habe ich von heute auf gleich weiße Haare bekommen, die ich sehr mag. Ich dachte mir: „So bin ich jetzt!“  Zu der gleichen Zeit legte eine in Zürich lebende Freundin, deren Arbeitstitel auch den Term „working“ beinhaltete, diesen ab. Ich fragte sie, wie sie es fände, wenn ich mich „Working Silverlady“ nennen würde. Sie fand es toll und sagte, dass der Name gut zu mir passen würde.

 

Frimeso: Wie würden sie sich selbst kurz beschreiben, sowohl privat als auch beruflich.

Kindt: Ich bin eine bewegte Frau. Ich bin 71 Jahre alt. Trotz Schicksalsschlägen liebe ich das Leben. Ich freue mich jeden Morgen, dass ich aufwache. Ich versuche für mich aus jedem Tag etwas Schönes herauszuziehen und auch anderen Menschen viel zu geben.

Ich bin seit 33 Jahren selbständig. Working Silverlady bin ich seit 3 Jahren. Irgendwann will man nicht mehr so viel unterwegs sein zu Beratungen, zu Workshops oder ähnliches.  Ich bin gerade dabei mir ein Online-Coaching Unternehmen aufzubauen und mache vorwiegend meine Coachings online. Auch biete ich online Workshops und Seminare an.

 

Frimeso: Wer sind Ihre typischen Kunden?

Kindt: Es kontaktieren mich ältere und jüngere Kunden. Ich sehe mich als Sparringspartnerin für Führungskräfte.

Ich berate auch Privatpersonen. Ich unterscheide also nicht mehr zwischen Business- und Privatkunden.  Allerdings biete ich keine psychologischen Beratungen an. In diesen Fällen sollen lieber die Fachfrauen bzw. Fachmänner ran.

 

Frimeso: Was sind die Themenschwerpunkte, die sie behandeln?

Kindt:  In den Jahren meiner Tätigkeit hat sich herauskristallisiert, dass Kommunikation der Dreh- und Angelpunkt für alles ist. Das gilt insbesondere für Führungskräfte. Kommunikationsstrategien sind eine regelrechte Leidenschaft von mir geworden.  Ich stelle auch fest, dass ich in diesem Bereich immer wieder neues erfahre und lerne.

 

Für mich gibt es weder schwarz, weiß, gestreift noch kariert

Frimeso: Wie war ihr Lebensweg? Was sind die wichtigsten Stationen in ihrem Leben, die Sie für Ihre Arbeit geprägt und zudem gemacht haben, was sie heute sind?

Kindt: Ich habe vor 50 Jahren in Afrika gelebt. Mein erster Mann kam ursprünglich aus Kamerun. Nach seinem erfolgreich als Bauingenieur abgeschlossenen Studium sind wir zusammen nach Kamerun umgezogen. Das hat mich sehr geprägt und meinen Blick geweitet.  Diversity ist daher schon immer Bestandteil meines Lebens gewesen.  Für mich gibt es weder schwarz, weiß, gestreift noch kariert.

Als ich allein mit meinem Sohn zurück nach Deutschland gekommen bin, habe dann mit Ende 20 mein Studium der Politikwissenschaften an der FU in Berlin aufgenommen.  Das war damals eine ungewöhnliche Wahl, zumal als Frau. Ich hörte immer wieder: Damit kann man kein Geld verdienen.“  Das Studium war genau richtig für mich. Es hat mein Denken bis heute geprägt.

Schließlich habe ich erneut geheiratet und zwei Kinder bekommen, von denen eines leider verstorben ist. Das sind auch Prägungen des Lebens.

In die Selbständigkeit bin ich eher zufällig geraten: Ich wurde gefragt, ob ich ein Seminar leiten wollte, was ich dann auch gemacht habe. Bei einem Jesuitenpfarrer habe ich an einem Rhetorikseminar teilgenommen, wo ich das freie Reden gelernt habe. So kam dann eines zum anderen.

 

Frimeso: Sie haben in ihrem Leben schon so viel erreicht. Warum sind Sie nicht in den wohlverdienten Ruhestand getreten?

Kindt: Das wäre mir wohl zu langweilig. Als Selbständige kann ich das sowieso für mich selbst bestimmen. Ich bekomme noch so viel Rückmeldung, Nachfragen und Angebote, dass ich überhaupt keine Zeit für Rente habe.

 

Der berufliche Wechsel in die Selbständigkeit: Selbstreflexion, Selbstmotivation und Selbstmanagement entscheidend für den Erfolg

Frimeso:  Sie bieten Coaching-Sessions speziell für Menschen an, die beruflich neu durchstarten wollen.  Was sind denn die typischen Herausforderungen, die bei einem solchen Wechsel auftreten?

Kindt: Man muss sich im Leben immer mal wieder neu aufstellen. In solchen Situationen sollte man sich selbst fragen: Was habe ich überhaupt für Stärken? Wo liegen meine Talente und meine Fähigkeiten?“  Ich muss auch schauen, wo ich mit meinen individuellen Skillset Marktlücken besetzen kann.  Wie präsentiert man / frau sich? Die wichtigste Frage ist die des Warums. Warum mache ich etwas? Was ist meine Intention, mein Ziel? Was treibt mich?

Mit Selbstreflexion fängt alles an.

Wenn man sich beispielsweise selbständig machen will, einfach weil es gerade passt, wird das wohl nicht ohne Weiteres funktionieren.

Ich merke in dem Zusammenhang immer wieder, wie wichtig Selbstmotivation ist.  Dazu kommt als letzter Punkt die Fähigkeit zum Selbstmanagement.

 

Frimeso: Was sind denn die Triebfedern für Menschen, die sich selbständig machen, oder einen beruflichen Wechsel vornehmen?

Kindt: Das ist ganz unterschiedlich. Manche sehen in einem solchen Schritt die Verwirklichung ihrer persönlichen Freiheit. Das ist verständlich. Allerdings kommt die Freiheit erst, wenn Sie gut im Sattel sitzen.

Man braucht Durchhaltevermögen und muss dranbleiben.

Eine andere Motivation von älteren Menschen ist es häufig mit Begeisterung sein Wissen zu teilen.  Die beste Motivation ist es immer, wenn ich etwas aus dem Herzen heraus mache. Wenn ich mir sagen kann: Das ist genau mein Ding! Das liebe ich! Mit dieser Art der Motivation wird es gelingen, dass man/ frau damit eine Nische besetzen wird.

 

Frimeso:  In welchem Alter sind denn die Menschen, die in einer solch beruflichen Krise stecken?

Kindt: Oft fängt es an zu kriseln, wenn die Kinder aus dem Haus sind, also ab 50 Jahren.  Vieles verändert sich dann zu Hause. Auf einmal sind nur noch zwei Menschen da, die neu lernen müssen, miteinander zurechtzukommen.  Da stellen sich viele Fragen wie: Soll das schon alles gewesen sein.? Was kann man jetzt noch machen?

Oft kommt es im Laufe eines Coachings vor, dass sich ganz neue Perspektiven entwickeln: Man kommt mit einer bestimmten Vorstellung; aber dann kommen ganz andere Ideen zum Vorschein.

Mir ist es wichtig Menschen stark zu machen, damit sie resilient und belastbar durch diesen Wandel kommen.

 

Frimeso:  Funktionieren denn die angestrebten Veränderungen im Normalfall?

Kindt:  Generell frage ich nach einem Jahr immer mal wieder nach. Grundsätzlich zähle ich auf die neu erworbene Eigenverantwortung meiner Kunden.  Das Thema Eigenverantwortung hat einen besonderen Platz bei unseren Coachings.

Menschen, die jahrelang im Berufsleben abhängig gearbeitet haben, stehen hier oft vor neuen Herausforderungen.

Einerseits fördern einige Leader nicht ausreichend die Selbstverantwortung ihrer Mitarbeiter. Andererseits müssen Menschen oft Selbstverantwortung neu lernen.  Wenn ich selbstständig werde, bin ich meine eigene Führungskraft. Ich muss auch lernen loszulassen, da wo es passt.  Das fällt vielen schwer.

Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich das Wort Nein abtrainiert. Ich kann aber zum Beispiel nicht jeden Kunden annehmen.

 

Dankbarkeit als der Schlüssel zur inneren Zufriedenheit

Frimeso: Sie sprechen auf ihrer Homepage immer wieder vor innerer Zufriedenheit. Auch tragen sie diese innere Zufriedenheit nach außen. Wann ist ein Mensch zufrieden?

Kindt: Das kann ich nur für mich beantworten. Ich bin dann zufrieden, wenn das was ich mir vorstelle in irgendeiner Form rund ist.

Ich sollte nicht danach schauen, was mir noch alles fehlt und nach welchem Stern ich noch greifen sollte. Ich sollte mich vielmehr jeden Tag freuen, dass ich immer wieder aufwache und dankbar sein, ein solch schönes Leben führen zu dürfen. So erreicht man ein generelles Niveau an Zufriedenheit und Glück.

Wenn ich mir meiner Talente und Fähigkeiten bewusst bin, dann kann ich schon allein dafür dankbar sein.

Oft werden wir in den westlichen Gesellschaften so geformt, dass wir stark nach außen leben.  Ich komme aus der Nachkriegsgeneration. Da gab es noch nicht so viel, dass nach außen gerichtet war.  Da waren die Adidas Schuhe noch nicht in.

Ich sehe auf der anderen Seite aber, dass es heute ein großes Bedürfnis gibt ein Stück mehr von einer Innenansicht zu bekommen.  Heute fragt man sich immer häufiger: Brauche ich unbedingt das Drittauto und das Zweitsofa?“  Entrümpeln, loslassen und nach vorne schauen hat sehr viel mit Lebensqualität zu tun.

 

Entrümpeln im Alter schafft Platz für Neues

Frimeso: Entrümpeln ist sicher auch ein Thema für Menschen, die sich auf den Ruhestand vorbereiten. Man schleppt doch viel Dinge mit sich mit, die noch aus den Berufsjahren stammen?

Kindt: Entrümpeln fällt vielen Menschen schwer. Manche tun sich schwer, sich von der beruflichen Vergangenheit zu lösen. Sie gerieren sich dann immer noch so als seien sie beruflich immer noch das, was sie vor 20 Jahren einmal waren.

Zum Entrümpeln gehört, dass ich mich immer wieder neu erfinde.

Die Fähigkeit zum Entrümpeln hat auch viel Einfluss auf das jung bleiben beim „älter werden. Es geht nicht darum, dass man noch in seine Hose passt. Es kommt vielmehr darauf an, was im Kopf passiert. Entrümpeln bedeutet auch sich zu fragen: Brauche ich mein Haus noch? Kann ich jetzt in eine Wohnung ziehen? Die Kinder kommen zu Besuch aber sie ziehen nicht mehr ein. Man kann also vieles neu regeln.

Prioritäten neu setzten, ist auch ein wichtiges Thema: Zufriedenheit kann ich nur innen bekommen.

Wer entrümpelt hat mehr Platz für Neues:  Letztes Jahr war ich an Krebs erkrankt. Ich habe gelernt dieser Krankheit nicht zu viel Platz einzuräumen. Jetzt sind wieder andere Dinge wichtig, die ich in den Mittelpunkt stellen will.

 

Werte haben etwas damit zu tun, welche Wertigkeit ich meinem Gegenüber zugestehe

Frimeso: Sie betonen, dass sie wertebasiert arbeiten. Warum sind Werte für sie so wichtig?

Kindt: Wir alle kennen Werte wie zum Beispiel Rücksichtnahme. Mir geht es aber darum, dass man sich darüber im Klaren wird, ob man die eigenen Werte mit Leben füllt. Es wird viel über Werte geredet. Es ist schick. Aber werden sie auch angewandt?

 

Frimeso: Warum sind heute Werte wichtig?

Kindt: Werte sind der Klebstoff für das soziale Miteinander. Wie gehen wir miteinander um? Wie reden wir miteinander? Es zeigt wie eine Gesellschaft sich selbst wahrnimmt. Das geht rein in die Betriebe, bis hin zur Führung.

Wir müssen versuchen mit Werten real zu leben.  Werte haben was damit zu tun, welche Wertigkeit ich meinem Gegenüber zugestehe.

 

Frimeso: Wenn man älter ist, hat man doch eigentlich sein Wertekorsett schon einigermaßen gefestigt. Kann man seine Werte im Alter noch ändern?

Kindt: Ja, aber es kommt auf die Bereitschaft zur Selbstreflexion an. Dann kann man den eine oder anderen Wert auf den Prüfstand zu stellen. Bin ich also bei ehrlicher Selbstreflexion auch mal bereit ein Fragezeichen hinter den ein oder anderen Wert zu setzen?

 

Die drei verschiedenen Alter

Frimeso:  Werden Sie gerne alt?

Kindt: Alter ist für mich eine Zahl. Es gibt drei Alter: So alt wie man ist, so alt wie man sich fühlt und so alt wie man wahrgenommen wird.  Alter ist also relativ.

Es gibt schon 25-jährige alte, die schon komplett abgeschlossen haben.  Häuschen, Kindesplanung und alles andere ist schon unter Dach und Fach. Das Leben läuft aber oft anders. Frei nach dem Motto: Wenn ich einen Plan mache, lacht sich der lieb Gott kaputt. Das Drama beginnt dann, wenn ich mir diese ganzen Pläne gemacht habe, und alles dann nicht so funktioniert wie gedacht.

Deswegen ist es wichtig offen zu bleiben und sich nicht zu intensiv mit dem eigenen Alter zu beschäftigen. Wenn ich mich jeden Tag sage, ich bin alt, dann bin ich alt. Ich sollte mir vielmehr sagen: Ich weiß, dass ich 71 Jahre alt bin, Das hindert mich aber nicht daran eine eigene Haltung zu haben.

 

Die Working Silverlady: In der digitalen Welt zu Hause

Frimeso: Ich bin durch ihre Podcasts auf Sie aufmerksam geworden. Sie betreiben eine Website. Sie sind in den Sozialen Medien aktiv. Sie sind also in der digitalen Welt zu Hause. Da gehören sie wahrscheinlich zu einer Minderheit innerhalb ihrer Altersgruppe?

Kindt:  Das nehme ich selbst auch so wahr. Ich war schon immer selbständig und bin es gewohnt mir Sachen beizubringen. Ich höre oft mit Bedauern, dass ältere Menschen sagen: „Das macht bei uns der Enkel!“

Ich finde das spannend und großartig, was so alles möglich ist. Es ist doch wunderbar, dass wir heute über Zoom zusammenarbeiten können, obwohl, dass der eine in der Schweiz ist und ich in Deutschland bin.

 

Frimeso: Wie erreicht man ältere Mitmenschen in der digitalen Welt?

Kindt: Es muss ein Mix zwischen on- und offline sein. Ich halte Vorträge und erreiche sie so.  Ich vernetze mich gerne auf LinkedIn, aber man braucht trotzdem noch einen Mix zwischen realen Veranstaltungen und digitalen Events.

 

Frimeso: Wie bekomme ich mit Ihnen in Kontakt, wenn ich mit Ihnen arbeiten will?

Kindt: Am einfachsten geht es über meine Homepage https://www.working-silverlady.de/

Sie können mir auch gerne eine Mail schreiben: info@angelika-kindt.de

 

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