Geschäftsreisende der Bahn reisen heute schon klimaneutral
Zur Person Jan-Wolf Baake: „Bei der Bahn sind wir alle Teil einer großen Familie“
Jan-Wolf Baake hat nach langer und erfolgreicher Karriere bei der Deutschen Bahn die Verantwortlichkeit für den Bereich Vertrieb Geschäftsreisen übernommen. Zusammen mit seinem Team hilft er den ca. 32.000 Unternehmenskunden der DB dabei, Geschäftsreisen kostengünstig und effizient zu organisieren. Erfahrungen im Unternehmen sammelte Baake vorher bei der DB Regio in NRW, und im Fernverkehr im Bereich Preisstrategie und Preisentwicklung. Baake ist also ein echter Bahner und kennt alle Facetten des Bahnuniversums.
Der studierte Tourismusmanager fährt selbst gerne Bahn und hatte sogar schon vor dem Start seiner DB -Karriere den „Komfort-Status“ inne. Er findet, die Bahn sei ein „schönes Verkehrsmittel, bei dem man sich die Zeit gut einteilen kann“. Natürlich gäbe es auch Situationen, wo die Bahn nicht immer das zweckmäßigste Reisemittel sei, -wie zum Beispiel bei extrem langen Reisestrecken. Trotzdem bevorzugt er grundsätzlich auch privat die Bahn. Auch beruflich nutzt er am liebsten die Bahn, und verzichtet sogar auf sein Dienstauto.
Den „Mythos Bahn“ gäbe es tatsächlich und bedeute, dass sich die Belegschaft als große Familie fühle. Es gäbe ein ausgeprägtes „Wir-Gefühl“. Das werde vor allem deutlich in Krisenzeiten wie Corona. Bei der Bahn hält man zusammen und man reicht sich die Hand. Es sei schön in einem solchen Unternehmen zu arbeiten. Dieses „Wir -Gefühl versuche die Bahn auch dem Kunden zu vermitteln.
Die Corona-Maßnahmen der DB: „Die Ansteckungsgefahr in den Zügen ist nicht höher als im normalen, alltäglichen Leben.“
Frimeso: Die Bahn hat zur Sicherheit ihrer Fahrgäste und des Personals umfassende Hygiene-malnahmen umgesetzt. Was sind die Kernpunkte dieser Maßnahmen?
Baake: Es gibt mehrere Kernpunkte: Wir haben die Sicherheit der Reisen erhöht, Infektionswege reduziert und Hygienethemen vorangetrieben.
Unsere Maßnahmen beziehen auf den Bahnhof und auf das Verkehrsmittel. Neben ausreichend Desinfektionsspendern gibt es Abstandsmarkierungen und regelmäßige Durchsagen zur Maskenpflicht. Wir haben zusätzliches Sicherheitspersonal angestellt, dass extra auf die Einhaltung der Maßnahmen achtet.
Unsere Züge reinigen wir regelmäßig. Hinzu kommt die Intensivierung der Unterwegs-Reinigung auf Langstrecke. Alle zwei Stunden werden die wesentlichen Kontaktflächen gereinigt. Mehr als 4.300 Mitarbeiter sind für die Reinigung der Züge und Bahnhöfe zuständig. In den Bordbistros werden bis auf weiteres lediglich abgepackte Speisen zum Mitnehmen angeboten. Bestimmte Plätze werden möglichst freigehalten.
Unsere APP DB Navigator ermöglicht kontaktloses Buchen, bezahlen und einchecken. Der Fahrgast braucht dann auch keine Fahrkarte mehr vorzuzeigen.
Die Bahn setzt dabei auch auf die Eigenverantwortung der Reisenden. Es geht nur gemeinsam. Im Moment funktioniert alles sehr gut, was natürlich auch dadurch begünstigt wird, dass die Anzahl der Reisenden im Fernverkehr während der Krise geringer ist. Im Nahverkehr gibt es immer noch Herausforderungen in den Stoßzeiten. Aber auch da funktioniert das Abstandhalten inzwischen gut.
Zur Ansteckungsgefahr im Allgemeinen kann man sagen, dass diese im Nahverkehr trotz vollerer Züge aufgrund der regelmäßigen Belüftung sehr gering ist. Im Fernverkehr haben wir eine erhöhte Sicherheit aufgrund sehr guter Lüftungsanlagen. Laut Studie der Charité und der DB sind unsere Zugbegleiter mit Maske einem geringeren Ansteckungsrisiko ausgesetzt als unsere Mitarbeiter an anderen Stellen. Die Ansteckungsgefahr in den Zügen ist nicht höher als im normalen, alltäglichen Leben.
Die Kernvorteile der Geschäftsreise mit der Bahn: Reisezeit nutzen, Flexibilität und Durchbuchbarkeit in den Städten
Frimeso: Abgesehen vom Klimaschutz, über dessen Aspekte ich Sie gleich noch genauer fragen will, was sind die generellen Vorteile mit der Bahn zu reisen?
Baake: Aus Reisezeit wird Nutz-Zeit. Der Kunde kann während der Reise machen was er will. Kunden haben Zeit für sich. Bei vielen teilt sich die Reise in drei Teile. Ein Teil ist typischerweise Selbstversorgung und dem Lesen der Zeitung gewidmet. Dann gibt es noch den Teil der Reise, in dem man durchatmet oder vielleicht döst. Schließlich widmet man sich einen Teil der Reise dem Vor- oder Nachbereiten eines Geschäftstermins.
Dieser Vorteil wird besonders deutlich bei Strecken mit einer Reisezeit von drei bis vier Stunden. Das sind sie Reisezeiten, bei denen wir im Wettbewerb mit dem Flieger stehen, der für die gleiche Strecke vielleicht eine Stunde braucht. Wenn ich fliege muss ich mich anstellen, boarden und sitze relativ kurz auf meinem Platz, bevor ich schon wieder raus muss. Die großen Flughäfen wie in München oder Berlin-Brandenburg sind außerhalb der Stadt. Der HBF ist in der Stadt.
Auch haben wir mit unserem DB-Navigator direkte Durchbuchbarkeit sichergestellt. Sie können dann gleich das Nahverkehrsticket dazu buchen.
WLAN im Zug wird auch immer besser. Zwar können nicht alle gleichzeitig einen Film streamen. In unseren Hochgeschwindigkeitszügen stößt die neuste Technik immer noch an ihre Grenzen. Aber es reicht zum Arbeiten.
Noch ein Vorteil ist der Takt, die hohe Geschwindigkeit und damit verbunden die hohe Flexibilität der Reisen. Sollte mein Geschäftstermin länger als geplant sein, kann ich oft spätestens in einer Stunde den nächsten Zug nehmen. Auf der Strecke Hamburg-Berlin haben wir inzwischen einen Halbstunden-Takt. Da ist das Zugfahren fast wie S-Bahn fahren.
Frimeso: bahn.business hat über 30.000 Geschäftskunden: Wie teilen Sich diese Kunden auf und wer sind Ihre Kunden?
Baake: Grundsätzlich stehen wir mit unseren Kunden im stetigen Austausch, und zwar unabhängig von der der Größe, also auch mit den Klein- und Kleinst-Kunden. Zum Beispiel bieten Informationsveranstaltungen und Webinare über unsere Programme aber auch über Themen wie unsere Sicherheitskonzepte an. Der mittlere Bereich wird von unserem Account- und Businessservice betreut. Unsere Key-Accounts haben bei uns einen eigenen Ansprechpartner haben. Diese Kunden verfügen in der Regel über ein eigenes Travel-Management. Hier bedient Die Bahn einerseits das Travel Management und den eigentlich Reisenden. Auch arbeiten wir mit strategischen Kunden, mit denen wir gemeinsam Themen angehen wollen. Eine Extraabteilung kümmert sich um die Körperschaften, öffentliche Verwaltung, Bund und Länder. Unsere größten Kunden sind der Bund und die Bundeswehr.
Mit dieser Einteilung werden wir allen Bedürfnissen am besten gerecht.
Nicht nur die klassische Geschäftsreise im Blick: Die Zukunft ist ganzheitlich
Frimeso: bahn.business arbeitet mit den Unternehmen vor allem auch bei Fragen der allgemeinen Berufsmobilität und des Pendelns zusammen. In unserem Vorgespräch sprachen Sie bildlich in diesem Zusammenhang von einem ganzen Bauchladen, mit dem Sie in die Unternehmen gehen.
Baake: Der Begriff passt schon ganz gut. Wir haben ein vielfältiges Angebot von Mobilität welches weit über Zug und Bus hinausgeht, z.B. Call a Bike oder unser Car-Sharing Service Flinkster.
Die Entwicklung geht hin zu einem ganzheitlichen Ansatz der betrieblichen Mobilität. Es geht also nicht nur um die klassische Geschäftsreise, sondern auch darum, wie die die Angestellten zum Unternehmen zurückkommen. Wir erörtern mit den Unternehmen eine Reihe von Fragestellungen bis hin zu Standortfragen und die damit verbundenen Anforderungen an eine besondere Anbindung. Wir diskutieren auch Fragen der Nachhaltigkeit, wo insbesondere Dienstleistungsunternehmen oft noch einen negativen CO2– Fußabdruck hinterlassen. Als technische Lösung bieten wir das Mobilitätsbudget Bonvoyo als APP an. Solche Verhandlungsrunden sind immer groß und interessant. Oft ziehen wir auch Kooperationspartner mit ein, um den ganzheitlichen Ansatz zu gewährleisten.
Pendeln: Das Verhältnis der DB Regio zu Privatanbietern – „Wir sind Partner!“
Frimeso: Wie verhält sich eigentlich das Konkurrenzverhältnis der Bahn-Tochter DB Regio zu anderen regionalen Anbietern? Wie ist dieses Verhältnis im Hinblick auf das Schienennetz organisiert und inwieweit stimmt die Bahn mit den Mitbewerbern die Fahrtermine für Anschlusszeiten ab?
Baake: Der Nahverkehr wird von den Aufgabenträgern per Ausschreibung bestellt. Diese beschreiben, wie häufig ein Zug auf einer bestimmten Strecke fahren sollen. Die DB Regio ist dann ein Bewerber in einem Wettbewerbsverfahren. Da gewinnen und verlieren wir aus unterschiedlichsten Gründen. Nach dem Verfahren sind wir aber immer Partner im Sinne der Kunden. Denn nur wenn das vernetzte System funktioniert, erreichen wir alle das gemeinsame Ziel den Menschen vom Auto auf die Schiene zu bekommen. Das geht nur, wenn wir den Menschen ein so gutes Angebot zu machen, dass er uns eben auch nutzt. Das erkennt man an unseren Verbunds Tarifen. Es ist absolut irrelevant mit welchen Unternehmen sie unterwegs sind.
Die „letzte Meile“ als Herausforderung: Einbeziehen von anderen Verkehrsmittel bei der Buchbarkeit von Geschäftsreisen.
Frimeso: Bei der klassischen Geschäftsreise scheint eines der Hauptprobleme zu sein, dass man zwar einfach von München nach Frankfurt kommt. Wenn man dann aber weiter in die Provinz muss, braucht man oft etwas länger. Was tut die Bahn, um genau dieses strategische Problem zu lösen?
Baake: Wir wissen, dass die „letzte Meile“ eine unserer Herausforderungen ist. Das gilt allerdings für die Flugreise genauso. Der Kernwettbewerber hier ist das Auto, mit dem ich an meinen Zielort fahre. Deswegen versuchen wir andere Verkehrsmittel wie Fahrrad, Carsharing oder Scooter mit zu integrieren, so dass man diese einfach über unsere Systeme buchen kann.
Die wichtige Rolle der Bahn für den Klimaschutz: Geschäftsreisende reisen klimaneutral!
Frimeso: Die Bahn gilt schlechthin als die umwelt-freundlichste Art zu reisen. Laut eigner Angaben hat sich die Bahn dem ehrgeizigen Ziel verpflichtet bis 2050 klimaneutral zu werden. Sie haben in diesem Punkt schon viel erreicht: Im Jahr 2019 haben Sie die Emissionen um 35% gegenüber 2006 reduziert. Wie ist Ihnen das gelungen und was sind die weiteren Eckpunkte ihrer Nachhaltigkeitsstrategie?
Baake: Wir sind der größte Stromverbraucher in Deutschland. Deswegen können wir auch nicht von heute auf morgen unseren Stromverbrauch komplett auf grünen Strom umstellen. Es ist einfach nicht ausreichend Angebot da. Wir arbeiten gezielt mit den Energielieferanten zusammen, sowie intern bei der eigenen Stromherstellung. Der Weg zu einem immer höheren Anteil an erneuerbaren Energien ist unaufhaltsam.
Stolpersteine sind neben der Beschaffung die Sicherstellung, dass es sich wirklich um grünen Strom handelt. Außerdem gibt es Strecken, auf denen die Loks heute noch dieselgetrieben sind. Hier schauen wir nach alternativen Antriebsmöglichkeiten, wie zum Beispiel Wasserstoff betriebene Fahrzeuge.
Wir geben dem Unternehmen auch den Nachweis zur Nachhaltigkeit ihrer Reisen und schauen uns gemeinsam mit Ihnen ihren CO2 Abdruck im Rahmen der Berufsmobilität an.
Weil das Bedürfnis nach Nachhaltigkeit bei Unternehmen besonders groß ist, sind alle unsere Firmenkundentickets zu 100% an Öko-Strom gekoppelt. Die Stromnutzung der Geschäftskunden wird durch die Einspeisung regenerativer Energien abgedeckt. Bei den Dieselstrecken kaufen wir zusätzlichen Kompensationsstrom für Geschäftsreisende. Der Geschäftsreisende reist mit der Bahn klimaneutral. Darauf können dich die Unternehmen verlassen!
Frimeso: Inwieweit spielt die Schulung Ihrer Mitarbeiter eine Rolle beim klimaschonenden Wirtschaften? Inwieweit spielt die Auslastung des Netzes eine Rolle?
Baake: Wir tun vieles im Bereich Nachhaltigkeit. Das beginnt bei dem recyclebarem Kaffeebecher und endet auch und gerade bei der Ressourcenvermeidung. Wir sind der größte Stromverbraucher in Deutschland. Die Frage kann also nicht nur lauten, wo kommt der Strom her? Sondern wir müssen schauen, wie wir Strom vermeiden können. Das gilt für unsere Gebäude aber auch für die Fahrzeuge. Wir schulen unsere Betriebsfahrzeugführer beispielsweise im Bereich energiesparendem Fahren. Auf der Stecke Frankfurt – Köln kann man so den Stromverbrauch eines Mehrfamilienhauses in einem Jahr einsparen.
Die Auslastung spielt auch eine Rolle. Daran arbeiten wir gezielt, genauso wie an einem optimierten Takt auf einem effizienten Netz.
Die Zukunft der Bahn: Die Bahn wird weiter ansteigen
Frimeso: Welchen Anteil wird die Bahn am Verkehrsmix Auto, Flugzeug, Bahn in der Zukunft haben?
Baake: Die Bahn wird einen noch deutlich höheren Stellenwert im Verkehrsmix bekommen. Neben dem Thema Nachhaltigkeit spielen Fragen der Individualisierung, und des schneller-mobil-Seins eine Rolle. Wir werden kurzfristig noch deutlich bei den nahen grenzüberschreitenden Strecken zulegen. Bei manchen gibt immer noch die Vorstellung, dass man lieber fliegt, wenn der nahegelegene Zielort im Ausland ist. Dabei kann man von Düsseldorf schnell und leicht nach Amsterdam mit der Bahn fahren, ohne dass man die Grenze spürt.
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