Episode 5: Martin Randelhoff, Zukunft Mobilität

Neue Verkehrstechnologien werden Hotelbranche und unsere Art zu reisen komplett verändern

Zur Person Martin Randelhoff: Faszination für Verkehr und Mobilität seit frühster Kindheit an

Martin Randelhoff ist Gründer und Herausgeber des einflussreichen Blogs Zukunft Mobilität. Dort beschäftigt er sich mit allen Themen rund um den Verkehr und die Mobilität. Insbesondere diskutiert er dabei, wie es gelingen kann, nachhaltigen und effiziente Verkehrssysteme aufzubauen, und wie unsere Städte und unser Verkehr in der Zukunft aussehen. Randelhoff ist auch wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Dortmund und berät Unternehmen und Institutionen in den Bereichen Städtebau und Verkehrsplanung.

Diese Themen hatten ihn schon als Junge im Alter von 10 Jahren fasziniert. Am Bahnhof seiner Heimatstadt Hof, neben welchem sich auch ein Container-Terminal befand, hat Randelhoff regelmäßig auf einer sich über das Gleisbett erstreckende Brücke auf die Rückkehr seines pendelnden Vaters gewartet. Diese frühen Beobachtungen waren wohl prägend für seine Entscheidung, später das Studium der Verkehrswirtschaft in Dresden aufzunehmen. Dort veröffentlichte er auch schon seine ersten Artikel. Inzwischen ist „Z/M“ zu einer festen Informationsgröße im deutschsprachigen Raum geworden. 

Daneben versorgt er seine ca. 13.000 Follower auf Twitter mit aktuellen Nachrichten und nutzt dieses Medium auch als Diskussionsforum.

Mobilität und Verkehr ist nicht das Gleiche

Frimeso: Wie definieren Sie den Begriff „Mobilität“?

Randelhoff: Mobilität ist meine Möglichkeit der Ortsveränderung, um meine entsprechenden Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn ich Hunger habe, brauche ich Nahrung, die ich mir im Supermarkt beschaffen muss. Daraus leitet sich dann mein sekundäres Bedürfnis nach Mobilität ab. 

Der Unterschied zwischen Verkehr und Mobilität besteht darin, dass ich, um zu den Supermarkt zu gelangen, eine der verschiedenen Verkehrsarten benutzen muss. Wohne ich neben dem Supermarkt, reicht der Fußweg, ansonsten nehme ich ein anderes Verkehrsmittel. 

Mit wachsender Distanz hat der Verkehrsaufwand stark zugenommen. Der Mobilitätsgrad ist demgegenüber fast gleichgeblieben. Wir legen 3,3 Wege am Tag zurück. Frauen meistens 4, 4 Wege, da die Kinderbetreuung oft noch an ihnen hängen bleibt. 85% der Bevölkerung sind mobil, 15 % sind immobil und verlassen das Haus nicht. Insgesamt sind wir sind 72 Minuten unterwegs.

Arbeiten und geschäftlich reisen während und nach Corona

Frimeso: Inwieweit hat sich die Mobilität der Menschen generell mit dem Aufkommen der Corona-Krise verändert?    

Randelhoff: Im März und April 2020 ist es zu einem starken Einbruch bei der Mobilität gekommen. Die Menschen sind zu Hause geblieben und haben ihre Besorgungen gebündelt. Diese Entwicklung hat sich aber während der zweiten und dritten Welle wieder auf „Vor-Corona Zeiten“ eingependelt. Man sieht praktisch keinen Unterschied mehr. Man sieht allerdings eine Verlagerung vom Personennahverkehr hin zum Individualverkehr, also Fahrrad, Pkw oder zu Fuß.

Frimeso: Welchen Einfluss wird die Corona-Krise langfristig auf unser Mobilitäts- und Verkehrsverhalten haben?  

Randelhoff: Für den Verkehr und für die Mobilität war Corona eine Zäsur. Das Homeoffice gilt inzwischen als mögliche Alternative zur klassischen Präsenzarbeit im Büro. Langfristig werden wohl viele Menschen wahrscheinlich nicht mehr jeden Tag ins Büro kommen, sondern ein bis zwei Tage von zu Hause ausarbeiten. 

Bei den Geschäftsreisen scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass viele Tagesgeschäftsreisen für ein Meeting nicht mehr nötig sind. Die digitalen Möglichkeiten sind einfach zu groß. 

Klimaschutz als ein zentraler Punkt der Mobilitäts- und Verkehrswende

Frimeso: Der Klimaschutz ist in aller Munde. Was sind denn die klimapolitischen Kernpunkte der deutschen Politik für die hinsichtlich der Geschäftsreise und des Pendelns?

Randelhoff: Ein Schwerpunkt ist die Stärkung der Deutschen Bahn durch den Infrastrukturaufbau und der Bereitstellung vom Kapital, um weitere Züge zu kaufen. (Anmerkung: Siehe dazu auch Interview mit Jan-Wolf Baake, DB, Leiter Vertrieb Geschäftskunden.)

Im Bereich des Straßenverkehres wird viel für den Infrastrukturausbau getan, um das Laden von E-Fahrzeugen mit regenerativen Strom zu ermöglichen. Hier gibt es aber noch Fragezeichen. 

Frimeso: Sie schreiben, dass der CO2-Ausstoß im Verkehr noch nicht gesenkt werden konnte. Woran liegt das? 

Randelhoff: Seit 1990 haben wir es im Verkehr als einzigen Sektor nicht geschafft, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. 

Unsere Fahrleistung hat seit 1990 deutlich zugenommen. Die potenziellen Einsparungen durch effizientere Motoren wurden durch den Kauf immer größerer Fahrzeuge kompensiert. In den letzten Jahren haben wir von einem enorm Wohlstandsniveau profitiert mit der Folge, dass Haushalte nun mehrere Pkws besitzen und auch gerne mit dem Flugzeug in ferne Länder reisen. Auch gibt es viel mehr Austausch zwischen den Unternehmen in Deutschland sowie einen gesteigerten Austausch des Dienstleistung- und Warenverkehrs innerhalb des europäischen Binnenmarktes. Die an sich überfällige Gleichberechtigung der Frauen hat dazu geführt, dass jetzt zwei Erwerbstätige pro Haushalt zu ihrem Arbeitsplatz pendeln. Daneben gibt es aber auch noch eine Reihe von anderen gesellschaftlichen Faktoren, die sich nicht so einfach technisch lösen lassen.

Benzin heute real billiger als noch vor 18 Jahren

Frimeso: Sie sagen auch, dass die derzeitige CO2-Bepreisung keine Lenkungswirkung entfaltet. Wie teuer muss denn Sprit werden, damit man sein Fahrverhalten ändert? 

Randelhoff: Eine Bepreisung von CO2 Emissionen im Verkehr hätte an sich eine positive Lenkungswirkung. Die Folgeschäden werden dem Verursacher so wieder angelastet. Das schafft Anreize, die CO2 Emissionen zu senken.

Mit der Energiesteuer gibt es eigentlich schon eine Besteuerung von Kraftstoffen. Man wollte so garantieren, dass es zu einer jährlichen Kostensteigerung von 2 % kommen sollte, entweder durch Anstieg des Rohölpreises oder durch entsprechende Erhöhung der Energiesteuer. Tatsächlich wurden die Steuern das letzte Mal vor 18 Jahren erhöht. Durch die Inflationsrate ist Benzin und Diesel heute real billiger als im Jahr 2003. 

Man bräuchte eine substanzielle Anhebung dieser CO2-Preise. Die geplante Einführung des CO2 Preises von 8 Cent reicht bei Weitem nicht aus. 

Das E-Auto: Vorsprung durch Effizienz

Frimeso: Wird das E-Auto das fossilangetriebene Fahrzeug komplett ersetzen? Oder gibt es noch alternative konkurrenzfähige Antriebsformen?

Randelhoff: Sowohl die Vorgaben der EU als auch die Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb der Automobilindustrie sprechen dafür, dass schon bald der Großteil der Neuzulassungen Pkws   betrifft. Diverse Anbieter haben auch schon angekündigt, dass sie jetzt die letzte Generation an Verbrennungsmotoren entwickeln. 

Im Pkw-Bereich hat der batterieelektrische Antrieb einen großen Vorsprung, den er so schnell nicht mehr abgeben wird.

Grob gesagt gibt es zwei Kategorien von Antrieben: Motoren, die mit fossilen Brennstoffen und Motoren, die mit regenerativer Energie angetrieben werden. Darunter gibt es eine Reihe von Unterkategorien. Jede dieser Techniken hat einen unterschiedlichen Effizienzgrad und Energiesatz. Unter dem Strich kann man sagen, dass man bei gleicher Energiemenge mit dem E-Auto bis zu vier km mehr fahren kann als ein mit einem Verbrenner und bis zu acht km mehr als mit einem mit synthetischen Kraftstoff getriebenes Fahrzeug. Wasserstoff und synthetischer Kraftstoff werden zudem durch Umwandlungs- und Transportkosten deutlich teurer sein.

<a href=Business photo created by katemangostar – www.freepik.com“ width=“300″ height=“200″ />

Die Zukunft unserer Städte – weniger Platz für Autos, mehr Platz für die anderen.

Frimeso: Innerstädtisch sollen die Menschen dazu bewegt werden, den ÖPNV intensiver zu nutzen bzw. sich mit dem Fahrrad fortzubewegen. Wenn man sich die deutschen Innenstädte anschaut, ist aber der Platz begrenzt? Wie kann es trotzdem gelingen?

Randelhoff: Wenn man den Anspruch hat, andere Verkehrsarten zu stärken, wird der Pkw Platz abgeben müssen. Das schafft man z. B. mit mehr Tempo 30 – Zonen oder mit baulich getrennten Infrastrukturen für die restlichen Verkehrsmittel. Oft gelingt es bei den Parkflächen zu sparen, oder es wird ein Fahrsteigen abgegeben. Nach vier Monaten fangen sich die Menschen an, sich an die neue Situation zu gewöhnen und es entsteht ein neues Gleichgewicht. Heute gilt die Stadt als Lebensraum, wo auch ein Großteil der Wirtschaftsleistung stattfindet. Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen Städte attraktiver werden; – es ist also nicht nur eine Frage des unmittelbaren Umweltschutzes.

„Elektrifizierung und die Automatisierung werden unseren Verkehr gravierend verändern.“

Frimeso: Wie wird der Verkehr in 20 Jahren aussehen?

Randelhoff: Elektrifizierung und die Automatisierung werden den Verkehr gravierend verändern.

Die Antriebswende wird zu hören, zu sehen und zu riechen sein. Der nicht motorisierte Verkehr und der Verkehr mit den LEVs (Light Electric Vehicles) wird zunehmen und sich ausdifferenzieren. Beispiele wären die E-Scooter, E-Motorräder, E-Bikes, Flugtaxis in ländlichen Raum oder elektrische Kabinenroller mit 6 oder 8 Sitzen für den ÖPNV.

Im Bereich des Güterverkehrs werden wir mehr Drohnen und Zustellroboter auf Straßenebene sehen. Der Rettungshubscharuber könnte durch Rettungsdrohnen ersetzt werden. Es wird aber nicht zu einer komplett vertikalen Verkehrsmobilität kommen. Es würde schlicht für zu viel Aufregung sorgen, wenn permanent über einem Fluggeräte fliegen. Außerdem verbrauchen diese Flugverkehrsmittel viel Energie, was den Zielen des Klimaschutzes widerspricht.

Die Automatisierung des Verkehrs wird eine noch massivere Auswirkung auf den Verkehr und den privaten Pkw-Besitz haben. Ein modernes Mobilitätsangebot mit autonomen Fahrzeugen wird dafür sorgen, dass viele Menschen auf ihr Privatauto und die damit verbundenen Kosten verzichten werden. 

Frimeso:  Ab wann fahren wir flächendeckend autonom?

Randelhoff: Ich möchte keine Prognose wagen. Die Automatisierung wird uns zunächst schleichend begleiten bei bestimmten Komfort- Funktionen, wie wir sie heute schon teilweise kennen. Ast später wird es dann zum voll autonomen Fahren kommen. Aber es tut sich jetzt schon viel. Das Unternehmen Waymo bietet heute schon in den USA voll automatisiertes Ridesharing an. Andere Unternehmen wie Gaussin in Frankreich sind im Bereich der LKW-Automatisierung und des Container-Managements erfolgreich. In Deutschland arbeitet der Gesetzgeber bereits an einem ersten Gesetz, das das automatisierte Fahren für den Realbetrieb regeln soll.

Daneben muss der automatisierte Verkehr aber noch gesellschaftlich akzeptiert werden. Es wird zu klären sein, wie man die Vorteile nutzen und die Nachteile begrenzen kann. Zum Beispiel werden durch die Sensortechnik autonome Fahrzeuge langsamer unterwegs sein als unsere Pkws heute. Wenn die Fußgänger wissen, dass das Fahrzeug beim Betreten der Fahrbahn anhält, werden sie das nutzen. Wird das verboten? Oder wird es zu einer autogerechten Stadt 2.0. kommen? Müssen wir unsere Städte entsprechend umbauen? Da gibt es noch viel Klärungsbedarf.

Autonome Fahrzeuge: Eine Herausforderung für die Hotelbranche 

Frimeso: Wie wird die Automatisierung des Verkehrs unsere Art, geschäftlich zu reisen, beeinflussen??

Randelhoff: Der Geschäftsreiseverkehr wird sich stark wandeln. Es wird weniger innerdeutsche Flüge geben. Die Übernachtungen in den klassischen Hotels werden zurückgehen. Man legt sich abends einfach in die Schlafkapsel und fährt über Nacht zum Zielort. Es bleibt ohnehin abzuwarten, in welchem Umfang die Menschen dann überhaupt reisen? Vieles wird mit Virtual Reality im eigenen Büro oder von zu Hause aus möglich sein. 

Als soziale Wesen werden die Menschen aber weiterhin reisen, aber die Reisen werden effizienter sein.

Anmerkung:

Die Blog Zukunft Mobilität ist sehr zu empfehlen. Wer Martin Randelhoff darüber hinaus für einen Vortrag gewinnen will, findet weitere Informationen hier. Dort gibt es auch eine Auflistung seiner bisher gehaltenen Vorträge.

Episode 6 – Frank Leyhausen, SENovation Award – Gründen für Senioren

Frank Leyhausen

 

 

„Erfolgreiche Gründer sprechen mit den Senioren, nicht über die Senioren“

 

Zur Person Frank Leyhausen:

Frank Leyhausen ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung MedCom international, die mit ihren Konzepten ihren Kunden hilft, die Zielgruppe der „dritten Generation“ effektiv zu erreichen.
Der Kölner ist bereits als junger Marketingmensch zum ersten Mal mit dem „Markt der grauen Schläfen“ in Berührung gekommen. Seither lässt ihn das Thema der alternden Gesellschaft nicht mehr los. Seine Entscheidung, sich mit MedCom diesem Thema ganzheitlich zu widmen, war also nur konsequent.


Der SENovation Award – „sich ein Beispiel nehmen an der amerikanischen Gründerkultur“

Die Idee zur Gründung des SENovation Awards kann ihm bei seinen Reisen in die Vereinigten Staaten, wo reihenweise innovative Produkte für den älteren Teil der Bevölkerung entwickelt werden. Es war für ihn frustrierend und gleichermaßen animierend zu sehen, wie so viel möglich ist in einem Land, das von seiner Altersstruktur deutlich jünger ist. Die dortige AARP, (das Pendant zur deutschen Seniorenliga,) hat mit seinen ca. 36 Mio. Mitglieder durch zahlreiche Initiativen die Start-up-Szene belebt. Diese Dynamik hat Leyhausen mit den SENovation -Award erfolgreich nach Deutschland gebracht. 20 % der Bevölkerung sind 65 Jahre oder älter: ein Riesenmarkt der Möglichkeiten.

Gegründet worden ist die Initiative von der deutschen Seniorenliga und der Signal Iduna Gruppe. Mit dem Award soll die Start-up-Szene in der DACH Region für die „Silver Economy“ sensibilisiert werden.

 

Ältere Menschen bei der Produktentwicklung mit einbeziehen

Frimeso: Mit den Start-up-Konzepten sollen „ältere Menschen bewusst angesprochen werden“ Wie gelingt das?

Leyhausen: Es gibt die klassischen Seniorenprodukte, wie etwa den Rollator. Bei vielen Produkten geht es aber gerade darum, dass man sich als Unternehmen die Mühe macht, ihre Produkte dem älteren Kunden verständlich zu erklären und ältere Menschen bei der Produktentwicklung mit einzubeziehen. Wenn Sie zum Beispiel eine APP entwickeln, sollte sie auch leicht bedienbar sein. Sprache muss so verwendet werden, dass sie auch vom Zielpublikum verstanden werden kann. Fachbegriffe und Anglizismen können dazu führen, dass sich Ältere von vornherein ausgeschlossen fühlen. Es geht also um einen ganzheitlichen Ansatz.


Deutschland liegt beim Gründen hinter Ländern wie den USA; es holt aber auf

Frimeso: Sie sagen auf Ihrer Homepage, dass Deutschland im Vergleich zu Ländern wie den USA keine klassische Start-up Nation sei. Warum ist das so?

Leyhausen: Wir haben noch nicht den gleichen Gründergeist. Unser sehr gutes Sozialversicherungssystem, das Beamtentum und ein robuster Arbeitsmarkt führen dazu, dass das Gründen vor allem als Risiko gesehen wird. Viele gründen daher neben dem Beruf. Man bleibt lieber erst einmal in seinem gut bezahlten Job. In den USA ist das Risiko seinen gut bezahlten Job zu verlieren, genauso groß, wie ein Start-up an die Wand zu fahren.


Gründen als Lifestyle -Konzept

Frimeso: Liegt das nicht auch daran, dass in Deutschland die Angst vor dem Scheitern eine viel Größere ist als wie zum Beispiel in den USA, wo das Scheitern zum „guten Ton“ gehört?

Leyhausen: Wir haben keine gute Kultur des Scheiterns. Wenn man in den USA scheitert, heißt es: ‚Und, was machst Du jetzt?‘ Wenn man in Deutschland scheitert, ist man oft als „Versager“ gebrandmarkt. Man bekommt automatisch Angst, gesellschaftlich ins Abseits zu geraten. Das ist schade, denn ich persönlich lerne eigentlich mehr aus meinen Fehlern. Fehler hinterfragt man. Erfolge feiert man.

Dennoch tut sich in Deutschland gerade unheimlich viel. Viele wollen etwas tun. Wir sind auf einem guten Weg. Vor allem hat sich die öffentliche Wahrnehmung geändert. Gründen ist jetzt „cool“. Es wächst eine neue Generation mit einem neuen Lifestyle-Konzept heran, die sich den Arbeitsalltag selbst gestalten will.

 

Sich auf die eigenen Stärken zu besinnen ist besser, als die Stärken anderer schlecht zu kopieren

Frimeso: In welchen Industrien gibt es heute generell die meisten Start-up Gründungen?

Leyhausen: Unsere Stärken liegen nach wie vor beim Ingenieurwesen. Aber auch in einigen Tech-Bereichen sind wir vorne mit dabei. Wir schauen generell zu viel nach Silicon Valley und wollen immer alles digitalisieren, obwohl wir doch in anderen Bereichen viel stärker sind. Wir sollten uns auf unsere eigenen Stärken besinnen. Das gilt auch beim „Age-Tech.“ Deutschland hat das größte lebende Labor der Welt. Wir sollten uns anschauen, was wir haben und darauf aufbauen. Das ist besser, als nach Amerika zu schauen und schlecht zu kopieren.


Die Zielgruppe der „Silver Economy“ – nicht zwingend eine Frage des Alters, sondern der jeweiligen Lebenssituation

Frimeso: Wie alt ist man denn, um zu der Zielgruppe der „Silver Economy“ zu gehören?

Leyhausen: Wir sind Gegner von 50+, 60+, 70+. Diese Segmentierung nach dem kalendarischen Alter macht keinen Sinn. Mein tatsächliches Alter interessiert mich wenig und beschreibt mich auch nicht in meiner Bedarfssituation. Wir leben und beraten nach dem Motto: “It’s not about age, it’s about stage“. Es ist egal, ob sie 40 oder 50 sind. Aber wenn sie in dieser Zeit pflegender Angehöriger werden, dann ändert sich ihr Leben. Dementsprechend sollten Start-ups ihre Kunden nach veränderten Bedürfnissen definieren.

 

„Erfolgreiche Gründer sprechen mit den Senioren, nicht über die Senioren“

Frimeso: Viele Start-up Gründerinnen und Gründer sind jünger als ihre Zielgruppe. Wie schaffen es diese jungen Menschen, sich in die älteren Kunden hineinzuversetzen?

Leyhausen: Wir haben einen ganz einfachen Slogan: ‚Mit Senioren sprechen, nicht über Senioren sprechen.‘ Viele Produkte werden mit besten Willen und besten Vorsätzen entwickelt. Senioren sollten aber schon früh in den Innovationsprozess als Sparringspartner, Kontrollinstanz oder sogar als Innovator mit eingebunden werden. Nur wer mit Senioren spricht, kann auch Empathie aufbauen. Ältere werden viel zu wenig gefragt.

 

Die digitale Zweiteilung als Herausforderung – gefragt sind Demut und Empathie bei der Produktentwicklung

Frimeso: Ist der ältere Konsument bereit für digitale Innovationen? Spielt die digitale Zweiteilung eine Rolle für innovative Start-ups? Nimmt der ältere Bevölkerungsteil digitale Innovationen an?

Leyhausen: Die digitale Zweiteilung gibt es. Laut dem Digitalindex für Deutschland gibt es immer noch knapp 12 Mio. Menschen in Deutschland, die überhaupt nicht digital sind. Dazu kommen ca. 40 % der Bevölkerung, die als „Minimal-Onliner“ digital im Abseits stehen. Digitale Start-ups haben die Herausforderung, diesen Bevölkerungsteil mitzunehmen. Die Bereitschaft zum Runterladen einer App ist eher gering. Daher müssen diese Leute eingewiesen werden, entweder persönlich oder zum Beispiel durch YouTube Videos.

Hier tut sich die Wirtschaft generell schwer. Viele Menschen sind den beschwerlichen Weg gegangen, sich ein Konto auf dem APP-Store einzurichten. Aber wenn sie dann unaufgefordert ein Update bekommen, wo auf einmal der Knopf rechts ist und nicht mehr links, grün und nicht mehr rot, frustriert das die Leute. Diese Menschen haben seit jeher die Fernbedienung benutzt und müssen nun mit einer volatilen Oberfläche umgehen. In den USA können die Senioren schon wieder Ihren Uber per Telefon bestellen, nachdem die Nachfrage per APP für das Unternehmen nicht ausreichend war. Die hiesigen Autohersteller sollten mit Demut zur Kenntnis nehmen, dass das Durchschnittsalter der Autokäufer bei 52 Jahren liegt.


Zwei der bisherigen Gewinner: Pflegix, das Pflegeportal und Rufus, der Telefonfilter

Frimeso: Können Sie ein oder zwei der Gewinner hervorheben?

Leyhausen: Im Jahr 2018 hat bei uns die Plattform Pflegix gewonnen. Das Konzept war überzeugend. Pflegix führt selbstständige Pflegekräfte sowie die nach Pflegekräften suchenden Familien zusammen. Heute sind sie Teil einer international agierenden Gruppe.
Letztes Jahr gewonnen hat Rufus- Der Telefonfilter, ein junges Start-up, dass sich der Thematik des Telefonbetrugs widmet. Jährlich werden in Deutschland Millionen an Euro durch Kriminelle ergaunert, die mit dem Enkeltrick oder als falscher Polizist Menschen am Telefon betrügen. Das Start-up hat mit dem Telefonfilter eine Box gebaut, die zwischen Anschluss und Telefon installiert wird. Je nach Wunsch werden unbekannte oder geblockte Nummern herausfiltert. Für unbekannte Nummern gibt es aber auch die Option, dass die Anrufer sich erst identifizieren müssen oder zustimmen, dass die Gespräche aufgenommen werden. Rufus haben während der Entwicklung mit der Polizei, Universitäten und der Caritas zusammengearbeitet und einen Feldtest bei 100 Haushalten durchgeführt. Die Box wurde von über 99 % genutzt. Das Unternehmen hat auch darauf geachtet, dass bereits gelernte Bedienelemente benutzt werden wie zum Beispiel die Bedienung via Telefon. Es gibt keine App und keine Oberfläche. Ein einfaches Produkt, dass den Menschen Lebensqualität und Sicherheit vermittelt. Ein echtes Seniorenprodukt.

Frimeso: Gibt es auch andere besondere Beispiele von Teilnehmern, die nicht gewonnen haben, ihnen aber aus anderen Gründen in Erinnerung bleiben?

Leyhausen: Ein 66-jähriger Ingenieur hat für seine 90-jährige Mutter mit einem 3-D Drucker eine Plastikscheibe mit Öse hergestellt, die zwischen Deckenmagnet und den Rauchmelder geklemmt wird. Die Mutter konnte dann den Rauchmelder im Falle eines Fehlalarms einfach mit dem Besen runterholen, ohne auf einen Stuhl klettern zu müssen. Eine Einreichung betraf ein Portal, welches Leihühner vermittelt. Leihühner werden in der Demenztherapie als Streicheltiere eingesetzt. Es gibt Anbieter, die Leihühner zu Pflegeeinrichtungen bringen. Mit dem Portal können Hühnerhalter nun ihre Hühner vermarkten.

SENovation Awards 2021
Eckpunkte des SENovation- Awards:

 

Teilnahmevoraussetzungen:
Es werden zwei Unternehmenstypen gekürt:

  • Junge Startups, (maximal drei Jahre alt)
  • Vorgründer, die noch gründen wollen und ein schlüssiges Konzept vorweisen können.

Das Produkt muss eine Relevanz für Ältere haben und auf dem Markt etablierbar sein.

 

Fristen:
Bewerbungsschluss: 30.Juni.
Finale: 22. September.
Bewerben kann man sich auf der Webseite des SENovation Awards

 

Vorteile:
€5.000 pro Gewinner und je nach Bedarfslage intensives Coaching der Unternehmen
Alle Teilnehmer profitieren von der enormen Sichtbarkeit durch die Teilnahme
Jurymitglieder sind der Geschäftsführer der Deutschen Seniorenliga und der CEO der Signal Iduna Gruppe sowie eine bunte Expertengruppe aus den verschiedensten Disziplinen. Es wird auch vor einer Seniorengruppe gepitcht.