Neue Verkehrstechnologien werden Hotelbranche und unsere Art zu reisen komplett verändern
Zur Person Martin Randelhoff: Faszination für Verkehr und Mobilität seit frühster Kindheit an
Martin Randelhoff ist Gründer und Herausgeber des einflussreichen Blogs Zukunft Mobilität. Dort beschäftigt er sich mit allen Themen rund um den Verkehr und die Mobilität. Insbesondere diskutiert er dabei, wie es gelingen kann, nachhaltigen und effiziente Verkehrssysteme aufzubauen, und wie unsere Städte und unser Verkehr in der Zukunft aussehen. Randelhoff ist auch wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Dortmund und berät Unternehmen und Institutionen in den Bereichen Städtebau und Verkehrsplanung.
Diese Themen hatten ihn schon als Junge im Alter von 10 Jahren fasziniert. Am Bahnhof seiner Heimatstadt Hof, neben welchem sich auch ein Container-Terminal befand, hat Randelhoff regelmäßig auf einer sich über das Gleisbett erstreckende Brücke auf die Rückkehr seines pendelnden Vaters gewartet. Diese frühen Beobachtungen waren wohl prägend für seine Entscheidung, später das Studium der Verkehrswirtschaft in Dresden aufzunehmen. Dort veröffentlichte er auch schon seine ersten Artikel. Inzwischen ist „Z/M“ zu einer festen Informationsgröße im deutschsprachigen Raum geworden.
Daneben versorgt er seine ca. 13.000 Follower auf Twitter mit aktuellen Nachrichten und nutzt dieses Medium auch als Diskussionsforum.
Mobilität und Verkehr ist nicht das Gleiche
Frimeso: Wie definieren Sie den Begriff „Mobilität“?
Randelhoff: Mobilität ist meine Möglichkeit der Ortsveränderung, um meine entsprechenden Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn ich Hunger habe, brauche ich Nahrung, die ich mir im Supermarkt beschaffen muss. Daraus leitet sich dann mein sekundäres Bedürfnis nach Mobilität ab.
Der Unterschied zwischen Verkehr und Mobilität besteht darin, dass ich, um zu den Supermarkt zu gelangen, eine der verschiedenen Verkehrsarten benutzen muss. Wohne ich neben dem Supermarkt, reicht der Fußweg, ansonsten nehme ich ein anderes Verkehrsmittel.
Mit wachsender Distanz hat der Verkehrsaufwand stark zugenommen. Der Mobilitätsgrad ist demgegenüber fast gleichgeblieben. Wir legen 3,3 Wege am Tag zurück. Frauen meistens 4, 4 Wege, da die Kinderbetreuung oft noch an ihnen hängen bleibt. 85% der Bevölkerung sind mobil, 15 % sind immobil und verlassen das Haus nicht. Insgesamt sind wir sind 72 Minuten unterwegs.
Arbeiten und geschäftlich reisen während und nach Corona
Frimeso: Inwieweit hat sich die Mobilität der Menschen generell mit dem Aufkommen der Corona-Krise verändert?
Randelhoff: Im März und April 2020 ist es zu einem starken Einbruch bei der Mobilität gekommen. Die Menschen sind zu Hause geblieben und haben ihre Besorgungen gebündelt. Diese Entwicklung hat sich aber während der zweiten und dritten Welle wieder auf „Vor-Corona Zeiten“ eingependelt. Man sieht praktisch keinen Unterschied mehr. Man sieht allerdings eine Verlagerung vom Personennahverkehr hin zum Individualverkehr, also Fahrrad, Pkw oder zu Fuß.
Frimeso: Welchen Einfluss wird die Corona-Krise langfristig auf unser Mobilitäts- und Verkehrsverhalten haben?
Randelhoff: Für den Verkehr und für die Mobilität war Corona eine Zäsur. Das Homeoffice gilt inzwischen als mögliche Alternative zur klassischen Präsenzarbeit im Büro. Langfristig werden wohl viele Menschen wahrscheinlich nicht mehr jeden Tag ins Büro kommen, sondern ein bis zwei Tage von zu Hause ausarbeiten.
Bei den Geschäftsreisen scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass viele Tagesgeschäftsreisen für ein Meeting nicht mehr nötig sind. Die digitalen Möglichkeiten sind einfach zu groß.
Klimaschutz als ein zentraler Punkt der Mobilitäts- und Verkehrswende
Frimeso: Der Klimaschutz ist in aller Munde. Was sind denn die klimapolitischen Kernpunkte der deutschen Politik für die hinsichtlich der Geschäftsreise und des Pendelns?
Randelhoff: Ein Schwerpunkt ist die Stärkung der Deutschen Bahn durch den Infrastrukturaufbau und der Bereitstellung vom Kapital, um weitere Züge zu kaufen. (Anmerkung: Siehe dazu auch Interview mit Jan-Wolf Baake, DB, Leiter Vertrieb Geschäftskunden.)
Im Bereich des Straßenverkehres wird viel für den Infrastrukturausbau getan, um das Laden von E-Fahrzeugen mit regenerativen Strom zu ermöglichen. Hier gibt es aber noch Fragezeichen.
Frimeso: Sie schreiben, dass der CO2-Ausstoß im Verkehr noch nicht gesenkt werden konnte. Woran liegt das?
Randelhoff: Seit 1990 haben wir es im Verkehr als einzigen Sektor nicht geschafft, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren.
Unsere Fahrleistung hat seit 1990 deutlich zugenommen. Die potenziellen Einsparungen durch effizientere Motoren wurden durch den Kauf immer größerer Fahrzeuge kompensiert. In den letzten Jahren haben wir von einem enorm Wohlstandsniveau profitiert mit der Folge, dass Haushalte nun mehrere Pkws besitzen und auch gerne mit dem Flugzeug in ferne Länder reisen. Auch gibt es viel mehr Austausch zwischen den Unternehmen in Deutschland sowie einen gesteigerten Austausch des Dienstleistung- und Warenverkehrs innerhalb des europäischen Binnenmarktes. Die an sich überfällige Gleichberechtigung der Frauen hat dazu geführt, dass jetzt zwei Erwerbstätige pro Haushalt zu ihrem Arbeitsplatz pendeln. Daneben gibt es aber auch noch eine Reihe von anderen gesellschaftlichen Faktoren, die sich nicht so einfach technisch lösen lassen.
Benzin heute real billiger als noch vor 18 Jahren
Frimeso: Sie sagen auch, dass die derzeitige CO2-Bepreisung keine Lenkungswirkung entfaltet. Wie teuer muss denn Sprit werden, damit man sein Fahrverhalten ändert?
Randelhoff: Eine Bepreisung von CO2 Emissionen im Verkehr hätte an sich eine positive Lenkungswirkung. Die Folgeschäden werden dem Verursacher so wieder angelastet. Das schafft Anreize, die CO2 Emissionen zu senken.
Mit der Energiesteuer gibt es eigentlich schon eine Besteuerung von Kraftstoffen. Man wollte so garantieren, dass es zu einer jährlichen Kostensteigerung von 2 % kommen sollte, entweder durch Anstieg des Rohölpreises oder durch entsprechende Erhöhung der Energiesteuer. Tatsächlich wurden die Steuern das letzte Mal vor 18 Jahren erhöht. Durch die Inflationsrate ist Benzin und Diesel heute real billiger als im Jahr 2003.
Man bräuchte eine substanzielle Anhebung dieser CO2-Preise. Die geplante Einführung des CO2 Preises von 8 Cent reicht bei Weitem nicht aus.
Das E-Auto: Vorsprung durch Effizienz
Frimeso: Wird das E-Auto das fossilangetriebene Fahrzeug komplett ersetzen? Oder gibt es noch alternative konkurrenzfähige Antriebsformen?
Randelhoff: Sowohl die Vorgaben der EU als auch die Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb der Automobilindustrie sprechen dafür, dass schon bald der Großteil der Neuzulassungen Pkws betrifft. Diverse Anbieter haben auch schon angekündigt, dass sie jetzt die letzte Generation an Verbrennungsmotoren entwickeln.
Im Pkw-Bereich hat der batterieelektrische Antrieb einen großen Vorsprung, den er so schnell nicht mehr abgeben wird.
Grob gesagt gibt es zwei Kategorien von Antrieben: Motoren, die mit fossilen Brennstoffen und Motoren, die mit regenerativer Energie angetrieben werden. Darunter gibt es eine Reihe von Unterkategorien. Jede dieser Techniken hat einen unterschiedlichen Effizienzgrad und Energiesatz. Unter dem Strich kann man sagen, dass man bei gleicher Energiemenge mit dem E-Auto bis zu vier km mehr fahren kann als ein mit einem Verbrenner und bis zu acht km mehr als mit einem mit synthetischen Kraftstoff getriebenes Fahrzeug. Wasserstoff und synthetischer Kraftstoff werden zudem durch Umwandlungs- und Transportkosten deutlich teurer sein.
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Die Zukunft unserer Städte – weniger Platz für Autos, mehr Platz für die anderen.
Frimeso: Innerstädtisch sollen die Menschen dazu bewegt werden, den ÖPNV intensiver zu nutzen bzw. sich mit dem Fahrrad fortzubewegen. Wenn man sich die deutschen Innenstädte anschaut, ist aber der Platz begrenzt? Wie kann es trotzdem gelingen?
Randelhoff: Wenn man den Anspruch hat, andere Verkehrsarten zu stärken, wird der Pkw Platz abgeben müssen. Das schafft man z. B. mit mehr Tempo 30 – Zonen oder mit baulich getrennten Infrastrukturen für die restlichen Verkehrsmittel. Oft gelingt es bei den Parkflächen zu sparen, oder es wird ein Fahrsteigen abgegeben. Nach vier Monaten fangen sich die Menschen an, sich an die neue Situation zu gewöhnen und es entsteht ein neues Gleichgewicht. Heute gilt die Stadt als Lebensraum, wo auch ein Großteil der Wirtschaftsleistung stattfindet. Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen Städte attraktiver werden; – es ist also nicht nur eine Frage des unmittelbaren Umweltschutzes.
„Elektrifizierung und die Automatisierung werden unseren Verkehr gravierend verändern.“
Frimeso: Wie wird der Verkehr in 20 Jahren aussehen?
Randelhoff: Elektrifizierung und die Automatisierung werden den Verkehr gravierend verändern.
Die Antriebswende wird zu hören, zu sehen und zu riechen sein. Der nicht motorisierte Verkehr und der Verkehr mit den LEVs (Light Electric Vehicles) wird zunehmen und sich ausdifferenzieren. Beispiele wären die E-Scooter, E-Motorräder, E-Bikes, Flugtaxis in ländlichen Raum oder elektrische Kabinenroller mit 6 oder 8 Sitzen für den ÖPNV.
Im Bereich des Güterverkehrs werden wir mehr Drohnen und Zustellroboter auf Straßenebene sehen. Der Rettungshubscharuber könnte durch Rettungsdrohnen ersetzt werden. Es wird aber nicht zu einer komplett vertikalen Verkehrsmobilität kommen. Es würde schlicht für zu viel Aufregung sorgen, wenn permanent über einem Fluggeräte fliegen. Außerdem verbrauchen diese Flugverkehrsmittel viel Energie, was den Zielen des Klimaschutzes widerspricht.
Die Automatisierung des Verkehrs wird eine noch massivere Auswirkung auf den Verkehr und den privaten Pkw-Besitz haben. Ein modernes Mobilitätsangebot mit autonomen Fahrzeugen wird dafür sorgen, dass viele Menschen auf ihr Privatauto und die damit verbundenen Kosten verzichten werden.
Frimeso: Ab wann fahren wir flächendeckend autonom?
Randelhoff: Ich möchte keine Prognose wagen. Die Automatisierung wird uns zunächst schleichend begleiten bei bestimmten Komfort- Funktionen, wie wir sie heute schon teilweise kennen. Ast später wird es dann zum voll autonomen Fahren kommen. Aber es tut sich jetzt schon viel. Das Unternehmen Waymo bietet heute schon in den USA voll automatisiertes Ridesharing an. Andere Unternehmen wie Gaussin in Frankreich sind im Bereich der LKW-Automatisierung und des Container-Managements erfolgreich. In Deutschland arbeitet der Gesetzgeber bereits an einem ersten Gesetz, das das automatisierte Fahren für den Realbetrieb regeln soll.
Daneben muss der automatisierte Verkehr aber noch gesellschaftlich akzeptiert werden. Es wird zu klären sein, wie man die Vorteile nutzen und die Nachteile begrenzen kann. Zum Beispiel werden durch die Sensortechnik autonome Fahrzeuge langsamer unterwegs sein als unsere Pkws heute. Wenn die Fußgänger wissen, dass das Fahrzeug beim Betreten der Fahrbahn anhält, werden sie das nutzen. Wird das verboten? Oder wird es zu einer autogerechten Stadt 2.0. kommen? Müssen wir unsere Städte entsprechend umbauen? Da gibt es noch viel Klärungsbedarf.
Autonome Fahrzeuge: Eine Herausforderung für die Hotelbranche
Frimeso: Wie wird die Automatisierung des Verkehrs unsere Art, geschäftlich zu reisen, beeinflussen??
Randelhoff: Der Geschäftsreiseverkehr wird sich stark wandeln. Es wird weniger innerdeutsche Flüge geben. Die Übernachtungen in den klassischen Hotels werden zurückgehen. Man legt sich abends einfach in die Schlafkapsel und fährt über Nacht zum Zielort. Es bleibt ohnehin abzuwarten, in welchem Umfang die Menschen dann überhaupt reisen? Vieles wird mit Virtual Reality im eigenen Büro oder von zu Hause aus möglich sein.
Als soziale Wesen werden die Menschen aber weiterhin reisen, aber die Reisen werden effizienter sein.
Anmerkung:
Die Blog Zukunft Mobilität ist sehr zu empfehlen. Wer Martin Randelhoff darüber hinaus für einen Vortrag gewinnen will, findet weitere Informationen hier. Dort gibt es auch eine Auflistung seiner bisher gehaltenen Vorträge.