Entrümpeln, loslassen und nach vorne schauen hat sehr viel mit Lebensqualität zu tun.
Angelika Kindt – Eine bewegte Frau
Frimeso: Wie sind Sie auf den Namen „Working Silverlady“ gekommen?
Kindt: Vor ca. 3 Jahren habe ich von heute auf gleich weiße Haare bekommen, die ich sehr mag. Ich dachte mir: „So bin ich jetzt!“ Zu der gleichen Zeit legte eine in Zürich lebende Freundin, deren Arbeitstitel auch den Term „working“ beinhaltete, diesen ab. Ich fragte sie, wie sie es fände, wenn ich mich „Working Silverlady“ nennen würde. Sie fand es toll und sagte, dass der Name gut zu mir passen würde.
Frimeso: Wie würden sie sich selbst kurz beschreiben, sowohl privat als auch beruflich.
Kindt: Ich bin eine bewegte Frau. Ich bin 71 Jahre alt. Trotz Schicksalsschlägen liebe ich das Leben. Ich freue mich jeden Morgen, dass ich aufwache. Ich versuche für mich aus jedem Tag etwas Schönes herauszuziehen und auch anderen Menschen viel zu geben.
Ich bin seit 33 Jahren selbständig. Working Silverlady bin ich seit 3 Jahren. Irgendwann will man nicht mehr so viel unterwegs sein zu Beratungen, zu Workshops oder ähnliches. Ich bin gerade dabei mir ein Online-Coaching Unternehmen aufzubauen und mache vorwiegend meine Coachings online. Auch biete ich online Workshops und Seminare an.
Frimeso: Wer sind Ihre typischen Kunden?
Kindt: Es kontaktieren mich ältere und jüngere Kunden. Ich sehe mich als Sparringspartnerin für Führungskräfte.
Ich berate auch Privatpersonen. Ich unterscheide also nicht mehr zwischen Business- und Privatkunden. Allerdings biete ich keine psychologischen Beratungen an. In diesen Fällen sollen lieber die Fachfrauen bzw. Fachmänner ran.
Frimeso: Was sind die Themenschwerpunkte, die sie behandeln?
Kindt: In den Jahren meiner Tätigkeit hat sich herauskristallisiert, dass Kommunikation der Dreh- und Angelpunkt für alles ist. Das gilt insbesondere für Führungskräfte. Kommunikationsstrategien sind eine regelrechte Leidenschaft von mir geworden. Ich stelle auch fest, dass ich in diesem Bereich immer wieder neues erfahre und lerne.
„Für mich gibt es weder schwarz, weiß, gestreift noch kariert“
Frimeso: Wie war ihr Lebensweg? Was sind die wichtigsten Stationen in ihrem Leben, die Sie für Ihre Arbeit geprägt und zudem gemacht haben, was sie heute sind?
Kindt: Ich habe vor 50 Jahren in Afrika gelebt. Mein erster Mann kam ursprünglich aus Kamerun. Nach seinem erfolgreich als Bauingenieur abgeschlossenen Studium sind wir zusammen nach Kamerun umgezogen. Das hat mich sehr geprägt und meinen Blick geweitet. „Diversity“ ist daher schon immer Bestandteil meines Lebens gewesen. Für mich gibt es weder schwarz, weiß, gestreift noch kariert.
Als ich allein mit meinem Sohn zurück nach Deutschland gekommen bin, habe dann mit Ende 20 mein Studium der Politikwissenschaften an der FU in Berlin aufgenommen. Das war damals eine ungewöhnliche Wahl, zumal als Frau. Ich hörte immer wieder: „Damit kann man kein Geld verdienen.“ Das Studium war genau richtig für mich. Es hat mein Denken bis heute geprägt.
Schließlich habe ich erneut geheiratet und zwei Kinder bekommen, von denen eines leider verstorben ist. Das sind auch Prägungen des Lebens.
In die Selbständigkeit bin ich eher zufällig geraten: Ich wurde gefragt, ob ich ein Seminar leiten wollte, was ich dann auch gemacht habe. Bei einem Jesuitenpfarrer habe ich an einem Rhetorikseminar teilgenommen, wo ich das freie Reden gelernt habe. So kam dann eines zum anderen.
Frimeso: Sie haben in ihrem Leben schon so viel erreicht. Warum sind Sie nicht in den wohlverdienten Ruhestand getreten?
Kindt: Das wäre mir wohl zu langweilig. Als Selbständige kann ich das sowieso für mich selbst bestimmen. Ich bekomme noch so viel Rückmeldung, Nachfragen und Angebote, dass ich überhaupt keine Zeit für Rente habe.
Der berufliche Wechsel in die Selbständigkeit: Selbstreflexion, Selbstmotivation und Selbstmanagement entscheidend für den Erfolg
Frimeso: Sie bieten Coaching-Sessions speziell für Menschen an, die beruflich neu durchstarten wollen. Was sind denn die typischen Herausforderungen, die bei einem solchen Wechsel auftreten?
Kindt: Man muss sich im Leben immer mal wieder neu aufstellen. In solchen Situationen sollte man sich selbst fragen: „Was habe ich überhaupt für Stärken?“ „Wo liegen meine Talente und meine Fähigkeiten?“ Ich muss auch schauen, wo ich mit meinen individuellen Skillset Marktlücken besetzen kann. Wie präsentiert man / frau sich? Die wichtigste Frage ist die des Warums. „Warum mache ich etwas? Was ist meine Intention, mein Ziel? Was treibt mich?“
Mit Selbstreflexion fängt alles an.
Wenn man sich beispielsweise selbständig machen will, einfach weil es gerade passt, wird das wohl nicht ohne Weiteres funktionieren.
Ich merke in dem Zusammenhang immer wieder, wie wichtig Selbstmotivation ist. Dazu kommt als letzter Punkt die Fähigkeit zum Selbstmanagement.
Frimeso: Was sind denn die Triebfedern für Menschen, die sich selbständig machen, oder einen beruflichen Wechsel vornehmen?
Kindt: Das ist ganz unterschiedlich. Manche sehen in einem solchen Schritt die Verwirklichung ihrer persönlichen Freiheit. Das ist verständlich. Allerdings kommt die Freiheit erst, wenn Sie gut im Sattel sitzen.
Man braucht Durchhaltevermögen und muss dranbleiben.
Eine andere Motivation von älteren Menschen ist es häufig mit Begeisterung sein Wissen zu teilen. Die beste Motivation ist es immer, wenn ich etwas aus dem Herzen heraus mache. Wenn ich mir sagen kann: „Das ist genau mein Ding! Das liebe ich!“ Mit dieser Art der Motivation wird es gelingen, dass man/ frau damit eine Nische besetzen wird.
Frimeso: In welchem Alter sind denn die Menschen, die in einer solch beruflichen Krise stecken?
Kindt: Oft fängt es an zu kriseln, wenn die Kinder aus dem Haus sind, – also ab 50 Jahren. Vieles verändert sich dann zu Hause. Auf einmal sind nur noch zwei Menschen da, die neu lernen müssen, miteinander zurechtzukommen. Da stellen sich viele Fragen wie: „Soll das schon alles gewesen sein.? Was kann man jetzt noch machen?“
Oft kommt es im Laufe eines Coachings vor, dass sich ganz neue Perspektiven entwickeln: Man kommt mit einer bestimmten Vorstellung; aber dann kommen ganz andere Ideen zum Vorschein.
Mir ist es wichtig Menschen stark zu machen, damit sie resilient und belastbar durch diesen Wandel kommen.
Frimeso: Funktionieren denn die angestrebten Veränderungen im Normalfall?
Kindt: Generell frage ich nach einem Jahr immer mal wieder nach. Grundsätzlich zähle ich auf die neu erworbene Eigenverantwortung meiner Kunden. Das Thema Eigenverantwortung hat einen besonderen Platz bei unseren Coachings.
Menschen, die jahrelang im Berufsleben abhängig gearbeitet haben, stehen hier oft vor neuen Herausforderungen.
Einerseits fördern einige Leader nicht ausreichend die Selbstverantwortung ihrer Mitarbeiter. Andererseits müssen Menschen oft Selbstverantwortung neu lernen. Wenn ich selbstständig werde, bin ich meine eigene Führungskraft. Ich muss auch lernen loszulassen, da wo es passt. Das fällt vielen schwer.
Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich das Wort „Nein“ abtrainiert. Ich kann aber zum Beispiel nicht jeden Kunden annehmen.
Dankbarkeit als der Schlüssel zur inneren Zufriedenheit
Frimeso: Sie sprechen auf ihrer Homepage immer wieder vor innerer Zufriedenheit. Auch tragen sie diese innere Zufriedenheit nach außen. Wann ist ein Mensch zufrieden?
Kindt: Das kann ich nur für mich beantworten. Ich bin dann zufrieden, wenn das was ich mir vorstelle in irgendeiner Form rund ist.
Ich sollte nicht danach schauen, was mir noch alles fehlt und nach welchem Stern ich noch greifen sollte. Ich sollte mich vielmehr jeden Tag freuen, dass ich immer wieder aufwache und dankbar sein, ein solch schönes Leben führen zu dürfen. So erreicht man ein generelles Niveau an Zufriedenheit und Glück.
Wenn ich mir meiner Talente und Fähigkeiten bewusst bin, dann kann ich schon allein dafür dankbar sein.
Oft werden wir in den westlichen Gesellschaften so geformt, dass wir stark nach außen leben. Ich komme aus der Nachkriegsgeneration. Da gab es noch nicht so viel, dass nach außen gerichtet war. Da waren die Adidas Schuhe noch nicht in.
Ich sehe auf der anderen Seite aber, dass es heute ein großes Bedürfnis gibt ein Stück mehr von einer Innenansicht zu bekommen. Heute fragt man sich immer häufiger: „Brauche ich unbedingt das Drittauto und das Zweitsofa?“ Entrümpeln, loslassen und nach vorne schauen hat sehr viel mit Lebensqualität zu tun.
Entrümpeln im Alter schafft Platz für Neues
Frimeso: Entrümpeln ist sicher auch ein Thema für Menschen, die sich auf den Ruhestand vorbereiten. Man schleppt doch viel Dinge mit sich mit, die noch aus den Berufsjahren stammen?
Kindt: Entrümpeln fällt vielen Menschen schwer. Manche tun sich schwer, sich von der beruflichen Vergangenheit zu lösen. Sie gerieren sich dann immer noch so als seien sie beruflich immer noch das, was sie vor 20 Jahren einmal waren.
Zum Entrümpeln gehört, dass ich mich immer wieder neu erfinde.
Die Fähigkeit zum Entrümpeln hat auch viel Einfluss auf das „jung bleiben“ beim „älter werden“. Es geht nicht darum, dass man noch in seine Hose passt. Es kommt vielmehr darauf an, was im Kopf passiert. Entrümpeln bedeutet auch sich zu fragen: „Brauche ich mein Haus noch? Kann ich jetzt in eine Wohnung ziehen?“ Die Kinder kommen zu Besuch aber sie ziehen nicht mehr ein. Man kann also vieles neu regeln.
Prioritäten neu setzten, ist auch ein wichtiges Thema: Zufriedenheit kann ich nur innen bekommen.
Wer entrümpelt hat mehr Platz für Neues: Letztes Jahr war ich an Krebs erkrankt. Ich habe gelernt dieser Krankheit nicht zu viel Platz einzuräumen. Jetzt sind wieder andere Dinge wichtig, die ich in den Mittelpunkt stellen will.
„Werte haben etwas damit zu tun, welche Wertigkeit ich meinem Gegenüber zugestehe“
Frimeso: Sie betonen, dass sie „wertebasiert“ arbeiten. Warum sind Werte für sie so wichtig?
Kindt: Wir alle kennen Werte wie zum Beispiel „Rücksichtnahme“. Mir geht es aber darum, dass man sich darüber im Klaren wird, ob man die eigenen Werte mit Leben füllt. Es wird viel über Werte geredet. Es ist schick. Aber werden sie auch angewandt?
Frimeso: Warum sind heute Werte wichtig?
Kindt: Werte sind der Klebstoff für das soziale Miteinander. Wie gehen wir miteinander um? Wie reden wir miteinander? Es zeigt wie eine Gesellschaft sich selbst wahrnimmt. Das geht rein in die Betriebe, bis hin zur Führung.
Wir müssen versuchen mit Werten real zu leben. Werte haben was damit zu tun, welche Wertigkeit ich meinem Gegenüber zugestehe.
Frimeso: Wenn man älter ist, hat man doch eigentlich sein Wertekorsett schon einigermaßen gefestigt. Kann man seine Werte im Alter noch ändern?
Kindt: Ja, aber es kommt auf die Bereitschaft zur Selbstreflexion an. Dann kann man den eine oder anderen Wert auf den Prüfstand zu stellen. Bin ich also bei ehrlicher Selbstreflexion auch mal bereit ein Fragezeichen hinter den ein oder anderen Wert zu setzen?
Die drei verschiedenen Alter
Frimeso: Werden Sie gerne alt?
Kindt: Alter ist für mich eine Zahl. Es gibt drei Alter: So alt wie man ist, so alt wie man sich fühlt und so alt wie man wahrgenommen wird. Alter ist also relativ.
Es gibt schon 25-jährige alte, die schon komplett abgeschlossen haben. Häuschen, Kindesplanung und alles andere ist schon unter Dach und Fach. Das Leben läuft aber oft anders. Frei nach dem Motto: „Wenn ich einen Plan mache, lacht sich der lieb Gott kaputt“. Das Drama beginnt dann, wenn ich mir diese ganzen Pläne gemacht habe, und alles dann nicht so funktioniert wie gedacht.
Deswegen ist es wichtig offen zu bleiben und sich nicht zu intensiv mit dem eigenen Alter zu beschäftigen. Wenn ich mich jeden Tag sage, ich bin alt, dann bin ich alt. Ich sollte mir vielmehr sagen: Ich weiß, dass ich 71 Jahre alt bin, Das hindert mich aber nicht daran eine eigene Haltung zu haben.
Die Working Silverlady: In der digitalen Welt zu Hause
Frimeso: Ich bin durch ihre Podcasts auf Sie aufmerksam geworden. Sie betreiben eine Website. Sie sind in den Sozialen Medien aktiv. Sie sind also in der digitalen Welt zu Hause. Da gehören sie wahrscheinlich zu einer Minderheit innerhalb ihrer Altersgruppe?
Kindt: Das nehme ich selbst auch so wahr. Ich war schon immer selbständig und bin es gewohnt mir Sachen beizubringen. Ich höre oft mit Bedauern, dass ältere Menschen sagen: „Das macht bei uns der Enkel!“
Ich finde das spannend und großartig, was so alles möglich ist. Es ist doch wunderbar, dass wir heute über Zoom zusammenarbeiten können, obwohl, dass der eine in der Schweiz ist und ich in Deutschland bin.
Frimeso: Wie erreicht man ältere Mitmenschen in der digitalen Welt?
Kindt: Es muss ein Mix zwischen on- und offline sein. Ich halte Vorträge und erreiche sie so. Ich vernetze mich gerne auf LinkedIn, aber man braucht trotzdem noch einen Mix zwischen realen Veranstaltungen und digitalen Events.
Frimeso: Wie bekomme ich mit Ihnen in Kontakt, wenn ich mit Ihnen arbeiten will?
Kindt: Am einfachsten geht es über meine Homepage https://www.working-silverlady.de/
Sie können mir auch gerne eine Mail schreiben: info@angelika-kindt.de
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