Die Pandemie trifft unsere Großeltern. Der Klimawandel trifft unsere Enkel
Zur Person: Tristan A. Foerster
Nach vielen verantwortungsvollen Funktionen in verschiedenen Industrien, von Unternehmensberatung, über Finanz- bis hin zu digitalen Dienstleistungen, entschloss sich Tristan A. Foerster Anfang 2010, den Erfolg von ClimatePartner als Geschäftsführer maßgeblich mitzugestalten.
ClimatePartner bietet Klimaschutzlösungen, mit denen Unternehmen ihre CO2-Emissionen berechnen und reduzieren, Klimaschutzstrategien umsetzen und die unvermeidbaren Emissionen durch Klimaschutzprojekte ausgleichen können.
Tristan Foerster ist während seiner beruflichen Laufbahn viel gereist. Er reist gerne. Dabei betont er, dass er „geradezu Energie aus dem Kontakt mit anderen Menschen zieht“. Bedingt durch die vielen Standorte des Unternehmens, aber auch durch das geäußerte Interesse vieler Kunden, einen Entscheidungsträger während der Vertragsanbahnung persönlich zu treffen, reist Herr Foerster immer noch regelmäßig. Während der Pandemie hat sich allerdings bei vielen Kunden die Einsicht durchgesetzt, dass nun doch nicht mehr ganz so viel gereist werden muss.
ClimatePartner legt intern Wert darauf, dass klimafreundlich gereist wird. In unserem Gespräch betont Herr Foerster die Vorzüge des Reisens mit der Bahn, „sofern die Fahrt nicht länger als fünf Stunden dauert“. Auch plant Tristan Foerster seine Reiseroute in der Regel so, dass er mehrere Termine wahrnehmen kann. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, fliegen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen allerdings auch mit dem Flugzeug. Die durch die Reisen entstandenen Emissionen, die nicht vermieden werden können, werden dann durch sogenannte Klimaschutzprogramme kompensiert.
Die zeitliche Entwicklung einer ganzen Branche: „Kinder haben die Welt verändert!“
Frimeso: Wer sind Eure Kunden und wie verbreitet ist generell das Bewusstsein in Unternehmen, etwas für den Klimaschutz zu tun? Hat sich die Einstellung diesbezüglich im Laufe der Zeit verändert?
Foerster: Wir liefern passgenaue Lösungen für derzeit etwa 3.000 Firmen-Kunden, die in über 30 Ländern beheimatet sind. Die Bandbreite unserer Kunden ist enorm. Darunter finden sich Einzelhändler, Selbständige, bis hin zu Großkonzernen. Man kann sagen, dass sich eine Veränderung der Grundeinstellung zum Klimaschutz in drei Etappen vollzogen hat.
Am Anfang meiner Tätigkeit waren es meist mittelständische Familienunternehmen, die positiv und aktiv zum Klimaschutz beitragen wollten. Diese Kunden legen viel Wert auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit.
Im Laufe der Jahre konnten wir dann immer mehr Unternehmen davon überzeugen, dass man mit Klimaschutz sich auch einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten kann. Denn man kann seine Zielgruppe erweitern, wenn man neben Umsatz und Gewinn auch gesellschaftliche Werte wie Umwelt- und Klimaschutz nach Außen kommunizieren kann.
Die dritte Etappe ist gekennzeichnet durch zwei Entwicklungen, die den Klimaschutz endgültig auf die Agenda der Unternehmen verankert haben: Einerseits müssen seit 2018 große Unternehmen gemäß der EU Direktive NFRD ein „non financial reporting“, also eine Art Nachhaltigkeitsbericht, inklusive CO2 -Bilanz, abgeben. Diese Regelung betrifft direkt zwar nur große Unternehmen, die solche Berichte in der Regel schon vor 2018 in der Praxis angefertigt hatten. Diese Unternehmen sind aber dann auf ihre Zulieferer zugegangen, um auch deren CO2 Bilanz zu erfragen, um ihren Bericht zu vervollständigen. Dementsprechend arbeiten wir auch viel mit dem Mittelstand.
Als dann andererseits im Sommer 2018 ein 16-jähriges Mädchen namens Greta Thunberg auf die Straße ging und „Fridays for future“ ins Leben rief, hat das die generelle Einstellung zum Klimaschutz noch einmal massiv beeinflusst. Entscheidungsträger sind oft Eltern, die dieses Thema dann zusätzlich in einem privaten Kontext zu Hause mit ihren schulstreikenden Kindern diskutiert haben. Kinder haben die Welt verändert. Das ist bis in die Chefetagen angekommen.
Klimaneutrale Geschäftsreisen durch das unternehmerisches Engagement bei Klimaschutzprojekten
Frimeso: Wie kann ein Unternehmen sicherstellen, dass klimaneutral gereist wird? Was sind in diesem Zusammenhang Klimaschutzprojekte?
Foerster: Zunächst einmal zur Bedeutung des Begriffs „klimaneutral“. Wir können nichts tun, ohne CO2 Emissionen zu verursachen. Für Dienstleistungsunternehmen ist die Geschäftsreise mit etwa 60 bis 80 % des Gesamtvolumens an Emissionen sogar der größte CO2-Treiber.
Klimaneutral bedeutet nicht, etwas „frei von CO2“ zu tun. Es setzt vielmehr voraus, dass ich weiß, wie viel CO2 ich durch eine Tätigkeit verursache. Ich tue dann mein Bestes, diese Emission so gering wie möglich zu halten. Die Emissionen, die ich nicht vermeiden kann, gleiche ich dann aus durch Klimaschutzprojekte, die in Entwicklung- und Schwellenländer angesiedelt sind. Diese sind eigentlich Entwicklungshilfe-Projekte, die einerseits vor Ort helfen, CO2-Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig das Leben vor Ort für die Menschen zu verbessern. Die Klimaneutralität wird also durch den Ausgleich zwischen verursachtem und in gleicher Höhe eingespartem CO2 hergestellt.
Frimeso: Wie genau erarbeitet Ihr mit Euren Kunden ein Konzept, dass klimaneutrales Reisen ermöglicht?
Foerster: Drei Schritte: Bestandsaufnahme; Vermeiden von Emissionen und Kompensationen
Zunächst machen wir mit unseren Kunden eine Bestandsaufnahme. Mit unserem Tool fragen wir die Geschäftsreisedaten ab und berechnen dann die CO2-Emissionen des Unternehmens. Die beste Art, Emissionen einzusparen, ist natürlich, diese gar nicht erst zu verursachen. Deswegen erarbeiten wir anschließend ein Konzept zum Vermeiden von Emissionen. Viele Geschäftsreisen sind notwendig und lassen sich nicht ohne Weiteres auf Null setzen. Hier kommt es dann vor allem darauf an auf welche Art und Weise die Reise stattfindet. Den Teil der Emissionen, der am Ende übrig bleibt, kann man mit sogenannten Klimaschutzprojekten ausgleichen.
Frimeso: Kannst Du ein paar konkrete Beispiele nennen, wie ein solches Projekt typischerweise aussieht? Entwickelt ClimatePartner auch eigenständig Projekte?
Foerster: Beispiele sind Waldschutzprojekte, bei denen wir Bäume pflanzen, die der Atmosphäre CO2 entziehen können. Wir organisieren auch Vermeidungsprojekte, wie zum Beispiel das Einsetzen von sauberen Koch-Öfen. Generell gilt: Entwicklungshilfe ist komplex. Wenn wir mit unseren vor Ort ansässigen Partnern Menschen in den betroffenen Ländern den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglichen, werden einerseits CO2-Emissionen vermieden, andererseits wird es den Menschen ermöglicht, Zeit zu gewinnen, um einer geordneten Arbeit nachzugehen. Denn ohne Trinkwasser bleibt den Menschen oft keine andere Wahl, als das Wasser mit Holz abzukochen, welches sie den ganzen Tag zusammentragen haben.
Aktuell bietet ClimatePartner etwa 100 aktive Klimaschutzprojekte an. Darüber hinaus haben wir Zugriff auf etwa 3.000 weitere Projekte. Mittlerweile entwickeln wir mit unseren Partnern auch eigene Vorschläge. Unternehmen können auch ihre eigenen Klimaschutzprojekte anstreben.
Frimeso: Wer erstellt die Kriterien und wer prüft bzw. zertifiziert diese Projekte als anerkannte Klimaschutzprojekte?
Foerster: Es gibt NGOs, die sich darauf spezialisiert haben, Kriterien zu dafür zu bestimmen, was überhaupt ein Klimaschutzprojekt ist. Die Einhaltung dieser Kriterien wird dann über bestimmte Kontrollsysteme gewährleistet.
Es gibt vier Grundprinzipien:
1) Die dauerhafte Einsparung von CO2 Emissionen durch das Projekt muss gewährleistet sein.
2) Ein Klimaschutzprojekt muss durch die zusätzliche Finanzierung überhaupt erst möglich werden. Es würde keinen Sinn ergeben, ein schon profitables Klimaschutzprojekt zusätzlich zu finanzieren.
3) Die gleichen Zertifikate dürfen nicht für zwei verschiedene Unternehmen verwendet werden. In diesem Zusammenhang dürfen die Klimaschutzprojekte auch nicht in europäischen Industriestaaten angesiedelt sein, denn diese haben bereits staatlich verpflichtet, CO2 Emissionen zu reduzieren bzw. zu vermeiden.
4) Die Klimaschutzprojekte werden regelmäßig durch unabhängige Dritte überprüft und zertifiziert, typischerweise von einem TÜV, einem SGS oder einem Wirtschaftsprüfer. Es wird zertifiziert, dass diese Einsparungen tatsächlich retrospektiv stattgefunden haben.
„Es kann emotional werden, wenn man sieht, wie die Projekte das Leben der Menschen verbessern.“
Frimeso: Gibt es Klimaschutzprojekte, die Dir besonders am Herzen liegen?
Foerster: Das ist schwer zu beantworten. Projekte sind oft individuell und persönlich. Von ihnen hängen Schicksaale ab. Es kann emotional werden, wenn man vor Ort sieht, wie diese Projekte das Leben der Menschen verbessern. Nehmen wir das Beispiel Laufwasserkraftwerke, die wir im Kongo bauen: Gerade einmal 3 % der Bevölkerung hatten dort bislang Zugang zu Elektrizität. Dass sie nun durch die Kraftwerke auch in abgelegenen Regionen Elektrizität haben, schafft nicht nur Arbeitsplätze. Die Menschen haben auf einmal Licht am Abend. Da eröffnen sich vor Ort neue Perspektiven. Zusätzlich unterstützt das Projekt den Virunga Nationalpark, indem die letzten freien Berggorillas beheimatet sind.
In unseren Waldschutzprojekten binden wir die lokale Bevölkerung mit ein, damit die Wälder eben nicht für das schnelle Geld abgeholzt werden, sondern geschützt werden und erhalten bleiben. Diesen Menschen bringen wir bei, wie man Forstwirtschaft betreibt und somit den Wald nutzt, um ein Einkommen zu generieren, wie zum Beispiel dem Anbau von Paranüssen in Brasilien. Davon können die Menschen dann leben. Sie werden Teil des Projektes. Der Wald wird dann eben nicht mehr abgeholzt.
Ich persönlich bin ein Fan von Waldschutz und Aufforstungsprojekten, weil es ein natürliches Mittel ist, das Öko-System wiederherzustellen bzw. sicherzustellen.
Label „Klimaneutrale Geschäftsreise“ – Für mehr Transparenz nach Außen
Frimeso: ClimatePartner zertifiziert auch „die klimaneutrale Geschäftsreise“ Geschäftsreise mit einem Label. Wie geht das?
Foerster: Am Ende des vorhin beschriebenen Prozesses bekommt das Unternehmen eine Urkunde und ein Label, dass spezifisch auf die Klimaneutralität der Geschäftsreisen hinweist. Auf diesem Label befindet sich auch eine ID, die nachweist, wieviele CO2 Emissionen berechnet und mit welchem Klimaschutzprojekt sie dann ausgeglichen wurden. Es transportiert die Transparenz des Ausgleichs nach außen.
Frimeso: Zu euren Kunden gehören auch Travel Management Unternehmen?
Foerster: Das ist richtig. Wir arbeiten auch mit Travel Management Unternehmen oder auch Reisekostenabrechnungsfirmen zusammen, damit diese wiederum ihren Kunden Klimaneutrale Geschäftsreisen anbieten können.
Klimaschutz in Zeiten der Corona-Krise
Frimeso: Die Corona Pandemie hatte unbestritten positive Auswirkungen auf die ausgeschiedenen CO2-Emissionen, obwohl wir uns alle auch darauf freuen, wieder unterwegs sein zu können. Inwieweit hat ClimatePartner die Corona-Krise gespürt? Ist das Interesse an Klimaschutz unverändert?
Foerster: ClimatePartner geht es sehr gut, weil das Thema Klimaschutz immer mehr beachtet wird und immer mehr Unternehmen in diesem Bereich aktiv werden wollen. Die Nachfrage nach Klimaschutz-Maßnahmen ist sogar während der Pandemie gestiegen. Es gibt Branchen, die es hart trifft, und die sich jetzt erst einmal nicht um Nachhaltigkeitsthemen kümmern, weil sie schlicht anderes zu tun haben. Dazu gehört die Reisebranche, die Gastronomie und die Hotellerie. Auf der anderen Seite sind aber gerade Konsumgüterunternehmen dabei, sich im Bereich Klima strategisch neu aufzustellen.
Die Pandemie zeigt uns, dass man solche Themen nicht als Land oder Unternehmen allein angehen kann. Sie ist ein weltweites Thema, dass wir gemeinsam angehen und lösen müssen. Ähnlich ist es beim Klimaschutz. Er ist ein Problem, dass dessen Auswirkungen wir bereits jetzt sehen und das mit Zeit nur noch größer wird, wenn wir nicht aktiv werden. Wir werden es nicht allein lösen können, sondern wir müssen es zusammen lösen. Die Pandemie trifft unsere Großeltern. Der Klimawandel trifft unsere Enkel. Den Leuten wird das bewusst.
Kontakt:
https://www.climatepartner.com/de
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